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Die Kurpfalz im 16. Jahrhundert

(Teil 6 von 6)

Die Kurpfalz wird wieder reformiert

Friedrich IV.
Friedrich IV.
Pfalzgraf und Kurfürst von 1583 bis 1610

als Ludwig VI. 1583 verstarb, war sein Sohn und Nachfolger Friedrich IV. erst neun Jahre alt. Aus diesem Grund übernahm sein Onkel, der reformierte (calvinistische) Pfalzgraf Johann Kasimir bis zu seinem Tod im Jahr 1592 die Regentschaft in der Kurpfalz. Somit wurde die Kurpfalz nach sechs Jahren Protestantismus wieder reformiert.

Johann Kasimir war ein überzeugter Reformierter und zwang den (ursprünglich lutherisch erzogenen) Friedrich ebenfalls in diese Konfession.

Die lutherischen Pfarrer und Schullehrer, die sein Bruder, Ludwig VI., 1576 beim Religonswechsel eingesetzt hatte und nicht mit der Lehre Calvins einverstanden waren, wurden nun wieder entlassen. Ihre Stelle nahmen die vom Kurfürsten Ludwig vertriebenen Männer wieder ein.

Johann Kasimir
Johann Kasimir

Eine milde Gesinnung gegenüber den Täufern1 hatte Johann Kasimir jedoch nicht. In seinen Augen erschienen sie als „arme, verirrte Leute“, die um jeden Preis zum Eintritt in die reformierte (calvinistische) Landeskirche gebracht werden mussten.

Noch im ersten Jahr seiner Regentschaft (1583) erließ er ein Mandat, worin er ihre Lehre als eine „ärgerliche, giftige, verführerische und an ewiger und zeitlicher Wohlfahrt schädliche“ bezeichnete und seinem Unwillen Ausdruck gab, dass trotz wiederholter „christlicher und ernstlicher Mandate, Erinnerungen und Ermahnung die Sekte je länger je mehr in unserem Kurfürstentum der unteren Pfalz bei Rhein weiter um sich fresse und wachse.
Die Vorsteher der Täufer nannte er „eigensinnige, verführerische Winkelprediger“, die „viele einfältige Gewissen mit böser, falscher und verführerischer Lehre listig hintergangen, vergiftet und irrig gemacht“ hätten.
Zur Unterdrückung der außerkirchlichen Gemeinschaft setzte der Herzog den ganzen Regierungsapparat in Bewegung. Die Amtleute mussten in allen Städten, Flecken und Dörfern die Untertanen zusammenrufen und den Befehl ihres Herrn, des Kurfürsten, verkünden:

Sein „von Gott tragendes obliegendes Amt“ sei es „vor solchem Übel unsere von Seiner Göttlichen Majestät befohlenen Untertanen zu warnen und zu retten, die rechte, reine, seligmachende Lehre und Wort Gottes zu schützen und zu handhaben, dagegen aber alle ärgerliche und verführerische Lehre, verbotene Winkelpredigten, Versammlungen und Rottierungen nach der Gebühr abzuschaffen und mit Ernst zu strafen.“

aus: Christian Hege: Die Täufer in der Kurpfalz, ein Beitrag zur badischpfälzischen Reformationsgeschichte, Hermann Minjon Verlag, Frankfurt am Main, 1908, S. 139

Zum „besseren Behalten“ sollte dieses „christliche Edikt“ dem Volk jedes Jahr drei- oder viermal vorgelesen werden. Die Untertanen wurden nicht nur aufgefordert von „solcher verbotenen, irrigen und aufrührerischer Sekte und deren Versammlungen fernzubleiben, sondern auch diejenigen den Amtleuten und Schultheißen anzuzeigen, die mit „solcher vergifteten Lehre behaftet“ sind. Wer diesem Befehl zuwiderhandelte, sollte „am Leib, mit Verweisung des Landes oder in anderweitig nach Gelegenheit des Verbrechens“ bestraft werden. Dieselbe Strafe sollte auch alle treffen, „die dieser Sekte und ihren Versammlungen anhängig“ waren.

aus: Christian Hege: Die Täufer in der Kurpfalz, ein Beitrag zur badischpfälzischen Reformationsgeschichte, Hermann Minjon Verlag, Frankfurt am Main, 1908, S. 140

Während die Regierung die gottesdienstlichen Versammlungen der Täufer zu untertreiben versuchte, war sie andererseits mit Eifer bestrebt, die Bewohner der Kurpfalz zum Besuch der landeskirchlichen Gottesdienste zu zwingen. Dabei sollten die Geistlichen mit gutem Beispiel vorangehen und „einen christlichen Wandel führen“. Die Amtleute, Gerichts- und Ratspersonen mussten die „geordneten Pfarrherrn“ nach Kräften unterstützen, die Untertanen zu einem fleißigem Kirchgang auffordern und ihnen ein gutes Vorbild geben. Ohne triftigen Grund durfte kein Einheimischer die Predigt versäumen. Spazierengehen oder der Besuch in Wirtshäusern war den Ortsbewohnern während der Dauer des Gottesdienstes verboten. Die Übertretung wurde, „wie es sich gebührt im Turm mit Wasser und Brot“ bestraft.

Mit Wehmut mussten die Kirchenräte nach fünf Jahren des Inkrafttreten des Mandats (1583) feststellen, dass damit nichts erreicht worden war, sondern die „schädliche Sekte der Wiedertäufer je länger je mehr sich stärkt.
Angesichts der Unterdrückungsmaßnahmen von Johann Kasimir unterzeichneten die Täufer der Kurpfalz gemeinsam mit ihren elsässischen, niederrheinischen und holländischen Brüdern am 1. Mai 1591 das „Konzept von Köln2“.

Anton Woensam - Große Ansicht von Köln, 1531 (Ausschnitt)
Anton Woensam - Große Ansicht von Köln, 1531 (Ausschnitt)
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Nach dem Tod Johann Kasimirs (1592) entstand sofort ein heftiger Streit, der Kurpfälzische Administrationsstreit, zwischen dem reformieren Friedrich IV. und seinem Großonkel, dem lutherischen Pfalzgrafen Reichard von Pfalz-Simmern (* 1521; † 1598).

Grabmal von Herzog Reichard von Pfalz-Simmern und seine Gemahlin Juliane Gräfin zu Wied
Grabmal von Herzog Reichard von Pfalz-Simmern
und seine Gemahlin Juliane Gräfin zu Wied

Zentraler Punkt war die Konfessionsfrage: Rückkehr und Ausdehnung des Luthertums auf die Kurpfalz oder Erhalt des konfessionellen gegenwärtigen Zustandes? Dies war von hoher Bedeutung, da der Konfession des Landesherren aufgrund der Regel „cuius regio, eius religio“ (wessen das Land, dessen die Religion) des Augsburger Religionsfriedens3 vom 25. September 1555 alle Untertanen zu folgen hatten. Letztendlich konnte Friedrich IV. den Streit zu seinen Gunsten entscheiden. Die Kurpfalz blieb reformiert.

Für die Täufer in der Kurpfalz brach eine bessere Zeit an. Der Jugendliche Kurfürst Friedrich IV., setzte zwar die Politik seines Oheims Johann Kasimir fort, überließ jedoch die Regierungsgeschäfte mehr seinen Räten, während er sich den Vergnügungen hingab.

Die Täufer scheinen wenig belästigt worden zu sein. Erst 1596 wurden wieder Klagen über die Ausbreitung ihrer Lehre laut. Die Regierung nahm sich der Sache an und in einer Sitzung vom 20. Februar 1596 wurde beschlossen, den Bekehrungsversuchen größere Sorgfalt zu widmen. Falls sich die Täufer auf fleißige Ermahnungen hin „bei den christlichen Versammlungen und Katechisation nicht einstellen wollten“, sollten ihnen die Amtleute nach Ablauf eines Monats Wasser und Weide verbieten. Blieb diese Strafe wirkungslos, dann sollten sie des Landes verwiesen werden.
Aus der Kurpfalz waren die Täufer bis 1610, beim Tod Friedrichs IV., derart vertrieben worden, dass sich der Vormund seines Sohnes und Nachfolgers Friedrich V. nur noch mit der Verteilung der zurückbehaltenen Güter zu befassen hatte.

 

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1 Täufer: von der Kirchengeschichtsschreibung geprägte zusammenfassende Bezeichnung für in der Reformationszeit entstandene christliche Gemeinschaften, die die Kindertaufe als unbiblisch ablehnen und an ihrer Stelle die Erwachsenentaufe üben; deshalb nach ihrem Entstehen polemisch Wiedertäufer (Anabaptisten) genannt.
Kirchengeschichtlich werden die Täufer weitgehend dem spiritualististischen Flügel der Reformation zugerechnet.
Die Grundlagen des Täufertums bilden das Verständnis der Taufe als Erwachsenentaufe, d. h. bewusst vollzogenen individuellen Bekenntnisakt (Glaubenstaufe), und der christlichen Gemeinde als freiwilligen Zusammenschluss mündiger Christen, die das Christentum authentisch leben wollen. Die von den Täufergemeinschaften angestrebte Wiederherstellung des wahren Christentums in der Welt ist nach täuferischem Verständnis wesentlich auch mit der Herstellung sozial gerechter Verhältnisse verbunden, für die die Gemeinden Beispiele sein wollen.
Die erste Täufer-Gemeinde entstand 1525 in Zürich. Die sich seit dem 16. Jahrhundert bildenden Täufer-Gemeinschaften (z. B. Mennoniten und Hutterer) wurden von Anfang an oft grausam verfolgt. Zur Auswanderung gezwungen, ließen sie sich zunächst v. a. in Polen und Mähren, später besonders in Russland und Nordamerika nieder, wo das Täufertum heute in verschiedene Gemeinschaften (z. B. Amische) fortlebt.

2 Das Konzept von Köln war die Frucht der Viereinigungsbestrebungen zwischen den beiden holländischen Richtungen der Taufgesinnten (den Flämischen und den Friesen; die Spaltung der holländischen Tuafgesinnten in Flämische und Friesen vollzog sich im Jahr 1566 und ging soweit, dass die gegenseitige Taufe nicht anerkannt wurde.) und den deutschen Täufern am Rhein.
(aus: Christian Hege: Die Täufer in der Kurpfalz, ein Beitrag zur badischpfälzischen Reformationsgeschichte, Hermann Minjon Verlag, Frankfurt am Main, 1908, S. 149 ff.)

3 Augsburger Religionsfrieden: Reichsgesetz vom 25. September 1555 zwischen König Ferdinand I. (Kaiser Karl V.) Vertreter und den protestantischen Reichsständen zur Beruhigung der ausbrechenden Unruhen zwischen den protestantischen und den katholischen Reichsständen.
Die wichtigsten Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens waren: Den Lutheranern (nicht aber den Reformierten) wurde Frieden und Besitzstand garantiert; den weltlichen Fürsten wurde Religionsfreiheit zugesichert sowie das Recht, über die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen (Cuius regio, eius religio). Das bedeutete aber nicht religiöse Freiheit der Untertanen oder gar Toleranz, sondern Freiheit der Fürsten, ihre Religion zu wählen. Wer nicht konvertieren wollte, erhielt lediglich das "Recht" eingeräumt, unter Zahlung einer Nachsteuer und Mitnahme ihrer Habe, in ein Land ihres Glaubens auszuwandern; die geistlichen Fürsten wurden von der Religionsfreiheit ausgenommen; wenn sie zur Reformation übertraten, verloren sie Amt und Territorien; damit sollte die katholische Reichskirche geschützt werden. Die Säkularisation (meist durch Enteignung vollzogene Umwandlung von Kirchengut in weltlichen Besitz) von Kirchengut wurde bis zum Passauer Vertrag von 1552 rückwirkend legalisiert, weitere Säkularisationen wurden verboten.