Die Deutsche Ostsiedlung
(Teil 1 von 2)
17. Jahrhundert
Briefmarke von 1982:
Ankunft der Salzburger Emigranten in Preußen
Besondere Bedeutung kam der Aufnahme von Glaubens-flüchtlingen, wie Wiener Juden (1420, 1496, 1669), Hugenotten (1685), Pfälzer1 (1689), Schweizer2 (1699) und Salzburger (1732) zu.
Neben französischen Huge-notten folgten mehrere zehntausend Schweizer der Werbung, sich in Preußen niederzulassen. Aber auch Lutheraner, Katholiken und Juden aus Österreich und den spanischen Niederlanden kamen ins Land.
Durch die Kriegshandlungen des 30-jährigen Krieges3 (1618 -1648), dem Krieg zwischen Protestanten und Katholiken, dem Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) und die dadurch verursachten Hungersnöte und Seuchen verheerten und entvölkerten ganze Landstriche in Deutschland.
Sebastian Vrancx: 30-jähriger Krieg - Söldner überfallen ein Dorf
Durch Gewährung besonderer Privilegien, wie Steuerfreiheit, wurde versucht Menschen ins Land zu locken. In diesen Zusammenhang gehören auch die Wiederzulassung der Juden in der Kurpfalz und die Öffnung für andere religiöse Gruppen, wobei sich die Gewährung von Toleranz als ein ausgesprochen starkes Lockmittel erwies.
Relief von Johannes Boese:
Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg
begrüßt ankommende Hugenotten (1885)
eine Huttererfamilie
Auf diesem Weg kamen Hutterer4 aus Mähren, polnische Sozinianer5, Sabbatarier6 aus England (1660) und Schweizer Mennoniten7 (1661) ins Land.
1 Glaubensflüchtlinge aus der Pfalz = 1688 überfiel Frankreich unter König Ludwig XIV. die Pfalz. Viele Einwohner der Pfalz, die dem reformierten (calvinistischen) Glauben angehörten, mussten ihre Heimat verlassen. Unter ihnen auch Hugenotten die zuvor bereits aus Frankreich geflohen waren. Sie flohen nach Magdeburg, das seit 1648 zum protestantischen Kurfürstentum Brandenburg gehörte. Unter kurfürstlichem Schutz wurde den Flüchtlingen gestattet in der Stadt Magdeburg die Pfälzer Kolonie zu gründen. Diese Kolonie bestand von 1689 bis 1808. Kurfürst Friedrich III. (Friedrich I. in Preußen) hatte den Flüchtlingen im Edikt von Potsdam die gleichen Privilegien wie den schon vorher eingewanderten Hugenotten gewährt.
2 Glaubensflüchtlinge aus der Schweiz = 1698 waren die schweizerischen Kantone nicht mehr bereit, die immer zahlreicher einwandernden französischen Réfugiés (Waldenser aus dem Pragelatal, Hugenotten) zu behalten. Vor allem die mittellosen Waldenser wurden ausgewiesen und mussten das Land wieder verlassen. Die für Hessen bestimmten Glaubensflüchtlinge schlossen sich im Sommer 1699 in der Schweiz zu sogenannten Brigaden zusammen, um gemeinsam nach Deutschland zu reisen.
3 Dreißigjähriger Krieg = Sammelbezeichnung für
den europäischen Religions- und Staatenkonflikt, der aus dem konfessionellen Gegensatz im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation
und dem Gegensatz zwischen Habsburgermonarchie und Ständen entstand und auf deutschem Boden 1618-48 ausgetragen wurde. Deshalb sprach
man im 17. und 18. Jahrhundert auch vom Teutschen Krieg, um den Raum zu charakterisieren, der millionenfachen Tod, Verwüstung
und Barbarei erlitt. Die neuere Geschichtsschreibung deutet das Ganze als Krieg in Europa, weil sich in vielen Ländern Macht-, Religions-
und Wirtschaftsprobleme gewaltsam entluden. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen in den Niederlanden, zwischen Polen und Schweden,
Schweden und Dänemark, Frankreich und Spanien.
Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige vom Krieg betroffene Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich
von dessen Folgen zu erholen. mehr .....
4 Die Hutterer sind
eine reformatorische Täuferbewegung, die sich im 16. Jahrhundert in Tirol
gebildet hatte. Heute noch leben Hutterer in den USA und in Kanada. Sie
orientieren sich streng an der Bergpredigt, lehnen Gewaltanwendung und
Kriegsdienst ab und leben in Gütergemeinschaft.
Ihre Lehre und Glaubenspraxis waren der Grund, weshalb ihre Mitglieder
seit der Gründung im Jahr 1528 verfolgt wurden und häufig emigrieren
mussten. Im 16. Jahrhundert wurden sie in Tirol brutal verfolgt. Ca. 400
Hutterer wurden hingerichtet.
Ihren Namen erhielten die Hutterer von Jakob
Hutter, dem aus St. Lorenzen stammenden Vorsteher jener Zeit. Am 25. Februar
1536 wurde Hutterer vor dem Goldenen Dachl in Innsbruck auf dem Scheiterhaufen
verbrannt. Zuvor aber hatte er die Flucht von tausenden Täufern aus Tirol
nach Mähren organisiert und bewahrte sie damit vor Verfolgung und Hinrichtung.
Später zogen die Hutterer weiter ostwärts in die Slowakei, nach
Siebenbürgen und Russland. 1874 schließlich wanderten sie nach
Amerika aus, wo heute noch über 40.000 Hutterer auf 465 Bruderhöfen
in Gütergemeinschaft zusammen leben. Ihre Muttersprache ist hutterisch,
eine Mischung aus tiroler-kärntnerischem Dialekt mit slawischen und englischen
Lehnwörtern.
5 Sozinianer = eine den Antitrinitariern zuzurechnende religiöse Bewegung in Polen, die nach den italienischen Humanisten Lelio Sozzini und dessen Neffen Fausto Sozzini benannt wurde. Als erster italienischer Antitrinitarier erschien 1549 Francesco Stancaro in Krakau, der „Prototyp des Aufwieglers”. Ihm folgten 1551 Lelio Sozzini, Giorgio Biandrata, Matteo Gribaldi, Giovanni Gentile, Gian Paolo Alciati, Nicolo Paruta, Bernardino Ochino und später Fausto Sozzini. Die Sozinianer lebten ein streng an der Bibel orientiertes pragmatisches Christentum und lehnten die kirchliche Lehre von der Trinität, der Inkarnation und den Sakramenten als dem Wort Gottes, und damit auch der Vernunft, widersprechend ab. Die Sozinianer, 1658 während der Gegenreformation aus Polen ausgewiesen, wandten sie sich v. a. nach Siebenbürgen, Brandenburg, den Niederlanden und England.
6 Sabbatarier = Sammelbezeichnung für christliche Gemeinschaften, die das Sabbatgebot auch für Christen als verbindlich ansehen. Die Sabbatarier enstanden in Böhmen im 16. Jahrhundert; neben der Feier des Sonntags verlangten sie auch noch die des Sonnabends (Sabbats).
7 Mennoniten = Anhänger einer evangelischen Freikirche, die die Erwachsenentaufe pflegt u. den Wehrdienst u. die Eidesleistung ablehnt.