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Die Vorboten der Hungersnot von 1932/331

Hungersnot in Russland 1933
Hungersnot in Russland 1933
A = getreidekonsumierendes Gebiet
B = getreideproduzierendes Gebiet

Nach einer schlechten Ge-treideernte des Jahres 1931 kam es in den Jahren 1932/33 zur schnellsten gegen eine einzelne Volksgruppe gerichtete Massen-tötung durch Hunger (Holo-domor) des 20. Jahrhunderts und möglicherweise der Geschichte der Menschheit überhaupt.

Am stärksten betroffen damit war die Ukraine (1), die seit 1922 ein Teil der neu gegründeten Sowjetunion war, der Nord-kaukasus (2) und hier besonders der Kuban, wo die Bevöl-kerungsmehrheit aus Ukrainern und ukrainischen Kosaken bestand, sowie die Regionen der Mittleren (3) und Unteren Wolga (4), einschließlich der Autonomen Republik der Wolgadeutschen (5).

In vielen ländlichen Regionen der Ukraine kam es schon in der ersten Jahreshälfte 1932 zu einer ersten Hungerkata-strophe. Die Zahl der Hungeropfer in diesem ersten Hungerjahr, das auf eine schlechte Getreideernte 1931 folgte, wird auf 144.000 geschätzt.

Holodomor-Denkmal in Schowti Wody in der Zentralukraine
Denkmal für die Opfer des Holodomor
in Schowti Wody aus dem Jahr 2003
(symbolisch wird eine Ähre dargestellt)

Gesicherte Opferzahlen des Holo-domor gibt es nicht, da es während des Bestehens der Sowjetunion keine Untersuchung vor Ort gab. Anhand der Zahlen der Volkszählung von 1937 und 1939 wird die Zahl der Toten auf 4 Millionen Ukrainer geschätzt. In anderen landwirtschaftlichen Gebieten der Sowjetunion starben demnach weitere 2 Millionen Menschen und das, obwohl die Sowjetunion 1933 insgesamt 1,8 Millionen Doppelzentner Weizen in den Westen exportierte.

Wie konnte es aber in der Ukraine, der Kornkammer Europas, mit seinem fruchtbaren Schwarzerdeboden zu einer so großen Hungersnot in den Dörfern kommen?

Im Zuge der Errichtung der Sowjetunion wurde die Ukraine verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihrer erwirtschafteten Ernte, den sogenannten Ablieferungssoll, an den Staat abzugeben. Je fruchtbarer die Gegend, desto mehr musste sie abgeben. 1926, während der Neuen Ökonomischen Politik (NEP)2, im ertragreichsten Jahr vor der Kollektivierung der Landwirtschaft, bekam der Staat 3,3 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine, 21 % des Gesamtertrages.
12 bis 15 % wurden als Saatgut zurückgelegt, und 25 bis 30 % bekam das Vieh. Der Rest war für den eigenen Verbrauch bestimmt.

Im Laufe der Jahre verlangte der Staat aber immer mehr Getreide. Von der guten Ernte 1930 zog der Staat in der Ukraine schon 7,7 Millionen Tonnen ein, was einem Ernteertrag von 30 % entsprach. Dies führte zum Widerstand in der bäuerlichen Bevölkerung, die sich in die nahegelegenen Wälder floh. Die Truppen der GPU schreckten nicht davor zurück, diese in Brand zu setzen. Allein im Jahr 1930 wurden von der GPU 14.000 Bauernaufstände registriert.

Die GPU schreckte nicht davor zurück, Wälder in Brand zu setzen
Die GPU schreckte nicht davor zurück, Wälder in Brand zu setzen
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Anmerkungen

1 Quellen: Stéphane Courtois und Co-Autoren: Die Große Hungersnot in: Das Schwarzbuch des Kommunismus: Unterdrückung, Verbrechen und Terror“, Piper Verlag, München, 2004, S. 178 – 188.

2 NEP = der 1921 von Lenin in Sowjetrussland eingeleitete wirtschaftspolitische Kurs, der den 'Kriegskommunismus' ablöste.