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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert unter Alexei I.

(Teil 1 von 5)

Alexei I. von Russland
Alexei I.

Unter dem zweiten Zaren aus dem Hause Romanow, Alexei I., der von 1645-1676 regierte, kam es aufgrund der verstärkten Unterdrückung der Bauern und der drückenden Steuerlasten zu mehreren Aufständen (Salzaufstand1 1648, Chmelnizki-Aufstand 1648/57, Aufstand in Pskow und Nowgorod 16502, Kupfer-geldaufstand3 1662, Kosakenaufstand 1666 unter Wassili Rodionowitsch Us) vor allem in Moskau selbst, die jedoch bald niedergeschlagen wurden bis Stenka Rasin alle Donischen Kosaken unter seinem "Rossschweif"4 versammelte und Russland von 1667-1671 mit einem Bürgerkrieg überzog.

Russland befand sich seit eh und je im Zustand permanenter Unruhe und explosiver Gärung. Und so bedurfte es oft nur eines zündenden Funkens, um die latente Unzufriedenheit und Unbezähmbarkeit breitester Volksschichten zu hemmungslosen Tumulten und blutigen Auseinandersetzungen zu entfachen.

 

Sobornoje Uloschenije
Sobornoje Uloschenije

1649 wurde das erste umfassende Gesetzbuch (Sobornoje Ulosche-nije) geschaffen, das bis ins 19. Jahrhundert hindurch Geltung besaß und die Überführung der Bauern in die Leibeigenschaft im europäischen Russland verfestigte: Jeder Untertan wurde an seine Scholle gebunden, d. h., dass die Bauern ihr Land nicht verlassen durften.

Außerdem konnten sie verkauft werden (mit oder ohne den Grund, auf dem sie lebten und den sie bearbeiteten) und unterstanden der Strafgewalt ihres Herrn.

Immer höhere Dienstleistungen und Abgaben brachten auch immer mehr "Überschüsse", die in den Handel flossen, jedoch nicht zum Nutzen der Bauern sondern zur Befriedigung der Habgier ihrer alten und neuen Grundherren.

 

Saporoger Kosak

Da sich die Leibeigenen aus diesem Zwangssystem der Knechtschaft und der Leib-eigenschaft selbst nicht retten konnten, flüchteten viele von ihnen zu den Kosaken unterhalb der Dnepr-Stromschnellen, zu den soge-nannten Saporoger Kosaken. Nur dieser illegale Weg, sich von ihrem ausweglosen Joch und Schicksal zu befreien, blieb ihnen offen.

Wer aber nicht fliehen konnte oder wollte, wartete auf eine günstige Gelegenheit, um sich an Unruhen oder Gewaltakten gegen die adligen Gutsbesitzer zu beteiligen. Morde an ihnen waren keine Seltenheit. In manchen Gegenden trauten sich die Gutsbesitzer monatelang nicht, ihre Gutshäuser zu verlassen, aus Furcht vor Morddrohungen und Überfällen der Bauern. Die Spannungen zwischen ihnen und den Leibeigenen klangen nie ab und die bittere Feindschaft der letzteren, durch das Unrechtssystem selbst heraufbeschworen, schwelte nach wie vor.

 

Hinrichtung Karls I. von England
Hinrichtung Karls I. von England

Zur gleichen Zeit, also im Jahr 1649, wurde in England König Karl I. enthauptet. Zar Alexei unterbrach empört die seit 1553 dauernden diplomatischen Beziehungen zu England und akzeptierte 3.000 royalistische Flüchtlinge, die aus politischen Gründen ihr Vaterland verließen. Gleichzeitig verwies er alle englischen Kaufleute des Landes.

Soldaten unter Zar Alexei I.
Soldaten unter Zar Alexei I.

Die englischen Flüchtlinge waren tüchtige und erfahrene Kriegsleute, die dem Zaren behilflich sein sollten, sein Ziel, die Vergrößerung seiner Macht, zu verfolgen.

Durch Errichtung eines tüchtigen Heeres, in welchem ausländische Elemente eine hervorragende Rolle spielten, schuf Alexei sich eine Macht, die nach außen Ehrfurcht gebot und im Innern des Reiches aber Gehorsam erzwang.

Im 1. Russisch-Türkischen Krieg (1676–1681) konnte zusammen mit den dort ansässigen Saporoger Kosaken eine massive türkische Aggression von 200.000 Mann bei Čigirin abgewehrt werden.

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Anmerkungen

1 Salzaufstand = auch Moskauer Aufstand; als Alexei I. als 16-jähriger den Thron bestieg, übernahm sein Erzieher und Schwager Boris Morosow für ihn die Regierungsgeschäfte. Um die Finanzierung der Südexpansion zu steigern, versuchte Morosow direkte Steuern durch indirekte abzulösen. Zu diesem Zweck ordnete er am 9. Februar 1646 eine Salzabgabe ab, die den ursprünglichen Preis verdreifachte. Außerdem hatte Morosow hohe Ämter mit Vertrauten besetzt, die sich bei der Moskauer Bevölkerung schnell verhasst machten, weil sie, wie es im Reisebericht des Holsteiner Gesandten Adam Olearius heißt, „sehr hungrig, sehr geitzig um sich frassen.“
Der aufgestaute Hass der Bevölkerung entlud sich am 1. Juni 1648 in einem Volksaufstand. Die gesamte Regierung unter Morosow wurde gestürzt; unter dem Druck der Massen wurde die Einberufung einer Reichsversammlung proklamiert.

2 Aufstand in Pskow und Nowgorod = ähnliche Ausschreitungen ungezügelter Volkswut wie der Salzaufstand von 1648 kamen 1650 in Pskow, Nowgorod und Tomsk vor. Veranlassung dazu war auch hier das unredliche Verfahren der russischen Beamten. Entgegen den Bestimmungen des Friedens von Stolbowo (1617), der den Polnisch-Schwedischen Krieg (1609-1629) vorübergehend beendete, waren ungefähr 50.000 Russen an den damals an Schweden abgetretenen Gebieten ins Russische Reich umgezogen und nicht an die Schweden zurückgeschickt worden. Die Schweden ließen sich diesen Vertragsbruch teuer bezahlen: Für die schuldige Summe von 40.000 Rubel bekamen sie 20.000 Rubel, 10.000 Viertel Getreide (1 Viertel = 210 Liter) aus den zarischen Kornkammern in Pskow und sollten weitere 2.000 Viertel durch Aufkäufer erwerben können, weshalb der Getreidepreis künstlich in die Höhe getrieben wurde. Der Aufstand griff dann auch auf Nowgorod und Tomsk über und wurde militärisch niedergeschlagen. Die Rädelsführer wurden zum Teil zum Tode verurteilt und zum Teil nach Sibirien verbannt.

3 Kupfergeldaufstand = die Ursachen für den Kupfergeldaufstand kann man im 1654 beginnenden zweiten Nordischen Krieg suchen. Dieser wurde zu Beginn zwar mit einer zehnprozentigen Sondersteuer und Klosteranleihen finanziert, machte dann aber die Prägung von Münzen mit reduziertem Silbergehalt und darauf von Kupfergeld notwendig, was dem Staat erhebliche Gewinne einbrachte. Dabei kam es zu ungesetzlichen Bereicherungen und wegen der zu milden Bestrafung korrupter Münzmeister zu großen Unruhen, zumal auch eine Inflation einsetzte: 1658 kam auf 1 Silber- noch 1Kupferrubel, Ende 1661 waren es schon 4 Kupferrubel (zwei Jahre später betrug das Verhältnis 15:1). Zusammen mit anderen Bedrückungen (dreifache Teuerung, Steueraußenstände vergangener Jahre, Einsammlung des “Fünften“ als Sondersteuer, Einziehung der Strelitzengelder, einer direkten Steuer für deren Unterhalt) führte diese Entwicklung im Sommer 1662 zu einer Konfrontation des Zaren mit der Bevölkerung in seiner Sommerresidenz Kolomenskoe. Der Zar ließ seine Leibgarde eingreifen; 900 Flüchtende wurden durch die Strelitzen erschossen oder in die nahegelegene Moskwa getrieben, wo sie ertranken. Schon am nächsten Tag wurden 50 Todesurteile vollstreckt, 13 weitere nach Abschluss der Untersuchungen. Viele hundert der insgesamt wohl über 9.000 Beteiligten wurden verbrannt.

Rossschweif

4 Rossschweif = Der Rossschweif (Tugh, türk: tuğ, mongolisch: Tuk) ist ein von den Osmanen (ein historisches Turkvolk in Kleinasien, seit 1923 einheitlich als Türken bezeichnet) rund 400 Jahre verwendetes Würdezeichen. Anfänglich diente er wohl als Kennzeichen für den Standort des Anführers einer Reitergruppe. Später entwickelte sich der Rossschweif zu einem osmanischen Symbol und Rangabzeichen, der die Stellung des Würdenträgers innerhalb der Hierarchie des Osmanischen Reiches kennzeichnete.
So zählte ein erbeuteter Rossschweif bei den christlichen Heeren zu den begehrtesten Trophäen. Nach altem Kriegsbrauch wurde er mit der Siegesmeldung dem Kaiser überbracht und bekundete durch seine mehr oder weniger ansehnliche Anzahl die Größe des jeweils errungenen Sieges. Meist schenkten der Kaiser und auch andere Fürsten eroberte Feldzeichen an den Papst und an Kirchen weiter, wo sie bei Dank- und Freudenfesten aufgehängt wurden.