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Die deutsche Vorstadt im 17. Jahrhundert

Wassili IV.
Wassili IV.

 

Wassilis IV. Regierung war eine nati-onale, im Gegensatz zu dem Kosmopolitismus der unmittelbaren Vorgänger.

Die Bojarenkreise, die das herrschende Element waren, waren mehr von ständischem als von nationalem Geist beseelt und daher bereit, das Reich zu einer Abhängigkeit Polens herab-zuwürdigen, das 1612 zum Volksaufstand führte.

 

In der Zeit innerer Kämpfe, blutiger Bürgerkriege und anarchischer1 Zustände konnten die Einwanderer aus Westeuropa in Russland nicht vorankommen.

 

 

Kuzma Minin ruft die Menschen in Nischni Nowgorod zum Volksauftand gegen die Polen auf
Kuzma Minin ruft die Menschen
in Nischni Nowgorod zum Volksauftand
gegen die Polen auf

Die Abneigung der Russen gegen die Katholiken verallgemeinerte sich zu einem Hass gegen alle Anders-gläubige.

Während man sich gegen die Polen erhob, wütete man gelegentlich auch gegen alle Ausländer.

Allerdings verdankte Russland einer solchen Steigerung des National-gefühls die Befreiung aus der Gefahr, eine polnische Provinz zu werden; darin lag aber gleichzeitig eine, wenn auch nur vorübergehende Beschränkung des zivilisie-renden Einflusses Westeuropas auf Russland.

Iwan IV.
Iwan IV.

 

In der Zeit des Interregnums ging es den Ausländern schlecht. Seit den Zeiten Iwans des Schrecklichen hatte ein großer Teil von ihnen in einer besonderen Vorstadt Moskaus, der sogenannten „deutschen Sloboda“, gewohnt.

In den Kämpfen zwischen Russen und Polen ging dieser Flecken, die Residenz des Ausländertums, zu Grunde.

 

Die deutsche Vorstadt im 17. Jahrhundert

Christian Johann Oldendorp: der Brand von Moskau
Christian Johann Oldendorp:
der Brand von Moskau

Die von Boris Godunow2 erbaute "Neue deutsche Vorstadt", damals völlig aus Holz bestehend, fiel 1610 während des polnischen Angriffs auf Moskau einem Brand zum Opfer.

Die wenigen verbliebenen Bewohner lebten ungeachtet der Kriegswirren in Moskau, in der Hauptstadt selbst, wobei sie dazu neigten, sich in bestimmten Stadtteilen anzusiedeln.

 

Russische Schützen im Jahr 1613 (im Hintergrund: Basiliuskirche und der Kreml)
Russische Schützen im Jahr 1613
(im Hintergrund:
Basiliuskirche und der Kreml)

Während dieser Zeit ging die Zahl der deutschen Soldaten stark zurück. Ein Teil von ihnen fiel im Kampf und viele der Überlebenden verließen Russ-land, da ihre Gehälter nicht ausbezahlt wurden. Trotz aller Unordnung zur "Zeit der Wirren" blieb ein Teil der Deutschen jedoch in der russischen Hauptstadt zurück.

So gibt es beispielsweise Belege darüber, dass es 1615 in Moskau eine 271 Mann starke militärische Unterabteilung gab, die aus-schließlich aus Ausländern bestand, von denen sich ca. die Hälfte als Deutsche betrachteten.

Władysław IV. Wasa
Władysław IV. Wasa

 

Und im Jahre 1618, zur Zeit der Angriffserklärung der polnischen Truppen des Königsohns Władysław wurden in Moskau 112 Ausländer der sog. "alten Garde" und darüber hinaus pensionierte "deutsche Frauen und Männer" (insgesamt 27) mobilisiert.

 

 

 

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Anmerkungen

1 Unter Anarchismus versteht man die politische Lehre, die jede Art von Autorität, z.B. von Staat und Kirche, als Form der Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnt. Elemente des Anarchismus in Russland finden sich bereits im 14. und 15. Jahrhundert bei Häretikern und religiösen Außenseitern. Auch die Bauernaufstände und die Kosaken zeigten Tendenzen zur Staatslosigkeit.

2 Boris Godunow = war Berater Zar Iwans IV.; von 1584 bis 1598 Russlands Regent für den geistig zurückgebliebenen Zaren Fjodor I. Nach dem Tod Fjodors wurde er 1598 von der Reichsversammlung (Semski Sobor) zum Zaren gewählt. Er starb am 23. April 1605.