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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert unter Wassili IV.

Wassili IV.
Wassili IV.

Nach dem Tod des 1. falschen Demetrius, am 17. Mai 1606, wurde die Situation in Russland allerdings nur noch unbeständiger. Es ergab sich die gleiche Situation wie acht Jahre zuvor: Wie ließ sich ein Herrscher finden, dessen Abstammung die Konstruktion einer genealogischen Kontinuität zuließ?

Zum Nachfolger wurde am 19. Mai 1606 der von Schweden und den Bojaren1 unterstützte Wassili Schuiski aus-gerufen und im Juni erfolgte seine Krönung zum Zaren Wassili IV.

Er machte dem Schmach "antichristlicher" Fremdherrschaft durch einen Abenteurer wie den Pseudodemitri I., der im Dienste des Papstes Paul V. gestanden habe, ein Ende.

Der Wahlzar Wassili wurde jedoch nicht in allen Teilen des Landes anerkannt. Er war ja schließlich kein Abkömmling Ruriks.

 

Schon im Spätsommer 1606 liefen neue Gerüchte um, nämlich, dass im Mai nicht Demetrius, sondern einer seiner Doppelgänger getötet worden sei. Der „echte“ hingegen lebe und werde sich bald wieder zeigen.

 

Pseudodemetrius II.
Pseudodemetrius II. oder
der Schelm von Tuschino

Die Kosaken und die aufständischen Bauern, die sich aus der drückenden Leibeigenschaft befreien wollten, opponierten gegen den Bojarenzar. Sie erhoben sich im Süden Russlands und schlossen sich 1607 einem zweiten Pseudodemetrius, dem "Schelm von Tuschino" an, der sich bereits mit einem Kosaken- und Bauernheer auf dem Vormarsch nach Moskau befand.

Wie sein Vorgänger wurde er von Polen-Litauen und dem Vatikan unterstützt, denen alles daran lag, die anhaltende schwere Krise Moskaus nicht ungenutzt vorübergehen zu lassen. Roms Ziel war es, Russland rasch und für immer dem päpstlichen Primat unterzuordnen.

Der kriegerische Angriff des 2. Demetrius führte innerhalb eines Jahres bis vor Moskau.

 

Karl IX. von Schweden
Karl IX. von Schweden

Zar Wassili nahm die anfänglich verschmähte Hilfe der Schweden schließlich doch an, verzichtete dafür auf den schwedischen Bezirk Kexholm in Karelien, gab die Ansprüche auf Livland auf und akzeptierte ein ewiges Bündniss mit Schweden gegen Polen.

Im Mai 1609 rückte das aus Angehörigen verschiedener Länder zusammengewürfelte 5.000 Mann starke Hilfskorps von Nowgorod in Richtung Süden.

Haus in Kaluga
Haus in Kaluga,
wo Pseudodimitri II. seine letzte Zeit verbrachte

Mit Hilfe Schwedens gelang es Schuiski den "Schelm von Tuschino", der plötzlich von Polen zum Betrüger gestempelt wurde, zu besiegen. Dieser floh nach Kaluga, wo er am 11. Dezember 1610 vom Tataren- fürsten Peter Urusov erschlagen wurde.

 

 

Schweden und Polen–Litauen traten als Rivalen bei ihren Bestrebungen auf.

Die Belagerung von Smolensk durch polnische Truppen
Die Belagerung von Smolensk
durch polnische Truppen (1609)

Sie wollten Russland ganz oder zumindest teilweise unter den eigenen Einfluss bringen.

Der schwedisch–polnische (protestantisch-katho-lische) Gegensatz machte sich aber zu ungunsten der Bestrebungen Polens bemerkbar.

Die Eroberung Moskaus durch einen vom katholischen Polen abhängigen Thronprätendenten war für die protestantischen Schweden, die sich der Gegenreform erwehrten, unerträglich.

Moskau 1610
Moskau 1610 vor dem Brand

 

Schweden war sich der Bedeutung des Kampfes um Moskau bewusst. Es ging um die Entscheidung, ob ganz Europa der Gegenreform erliegen oder diese hier entscheidend gestoppt werden würde.

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Anmerkungen

1Bojar = waren Adlige unterhalb des Ranges eines Fürsten bzw. des Zaren. In der Kiewer Rus hatte sich der Bojarenstand im 8.–9. Jahrhundert ursprünglich aus den Leibwachen der Fürsten entwickelt. Seit dem 12. Jahrhundert erlangten sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Seit dem 15. Jahrhundert war Bojar ein vom Großfürsten bzw. Zaren verliehener Titel der Mitglieder des Bojarenrates (Ratgeber der Großfürsten und Zaren). Da sie der zentralistischen Politik der Moskauer Großfürsten entgegentraten, versuchten diese seit dem 15. Jahrhundert, den Einfluss der Bojaren zurückzudrängen. Zar Iwan IV. ließ im 16. Jahrhundert viele Bojaren töten oder deportieren, nachdem sich diese, um ihre Privilegien fürchtend, gegen ihn verschworen hatten. Peter I. schaffte den Bojarenstand Anfang des 18. Jahrhunderts endgültig ab und ersetzte ihn durch den Dienstadel (dworjanstwo). Der letzte Bojar starb 1750.