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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert

(Teil 2 von 2)

Der falsche Dimitri

Am 20. Juni 1605 zog der Pseudodimitrius unterstützt von polnisch-litauischen Truppen und im geheimen Einvernehmen mit dem Polenkönig Sigismund III. triumphierend in Moskau ein.

Pseudodemetrius I. in Moskau
Pseudodemetrius I. in Moskau

 

Obwohl viele Russen den Kronprätendenten für einen Betrüger hielten, wurde er am 21. Juli 1605 zum "Zaren von ganz Russland" gekrönt. Für das Volk war er der ersehnte und verehrte Erlöser aus der "Zeit der Wirren".

 

Medaille des falschen Dimitri (1505-1506)
Medaille des falschen Dimitri (1505-1506)

Wer der falsche Dimitri eigentlich wirklich war, ist bis heute nicht vollkommen geklärt. Wahrscheinlich war er der entlaufene Mönch Gregor Otrepev oder Hryszka, wie ihn die Jesuitenchronik aus dem Jahr 1604/1605 nennt.

Er galt als überrschend kluger und weitsichtiger Zar und seine Regierung machte sich beim Kleinadel beliebt, indem konfiszierter klösterlicher Grundbesitz an die Familien abgetreten wurde.

Fjodor Nikititsch Romanow als Philaret
Fjodor Nikititsch Romanow als Philaret

Angehörige bojarischer1 Fami-lien, die während der Herr-schaftszeit Godunows verbannt oder abgeschoben worden waren, kehrten nach Moskau zurück, unter ihnen auch der unter Boris Godunow zwangs-weise zum Mönch Philaret2 geschorene Fjodor Nikitisch Romanow.

Pseudodemetrius sicherte den Bauern zehn Jahre Steuer-freiheit und geringere Fron-belastung zu. Sein Versuch, lediglich auf das einfache Volk gestützt zu regieren, scheiterte, da er dadurch jeglicher Stützung des russischen Adels verlustig ging.

Die außenpolitischen Beziehungen von Demetrius beschränkten sich ganz auf Polen–Litauen und den Heiligen Römischen Stuhl.

 

Grischka Oltrepjew
der falsche Demetrius =
Grischka Oltrepjew

Wie schon die vorherigen Zaren verhielt sich auch der Pseudodemetrius den Ausländern gegenüber entgegenkommend. Er hatte in Polen eine höhere Kultur gesehen und verdankte seine Ausbildung dem Westen. Er war tolerant gegen alle Konfessionen, er war eben ein Freigeist und er brach mit den nationalen Sitten und Gewohnheiten.

Den Russen empfahl er ins Ausland zu reisen.

Ein Pole berichtet über die Einwanderung vieler Ausländer nach Russland:

„Jahrhundertelang war es sogar den Vögeln schwer, in das moskowitische Reich hineinzukommen; jetzt kommen nicht nur Kaufleute, sondern eine Menge Krämer, Schenkwirte usw."

 

Pseudodimitrius
Pseudodimitrius

Zahlreichen Zeugnissen zufolge umgab sich der Pseudodemetrius seit Beginn seiner Regierungszeit (1605 - 1606) mit deutschen Soldaten, denen er Vertrauen schenkte.

 

Isaak Massa (1587-1635), ein holländischer Kaufmann, der sich zu jener Zeit in Moskau aufhielt, berichtete:

„Von den Deutschen und den Livländern wählte er 300 Mann, die hochgewachsensten und mutigsten aus und richtete eine 200 Mann starke Abteilung von Hellebardisten und ein 100 Mann starke Abteilung von berittenen Schülzen ein. Während der öffentlichen Auftritte Dimitris schritten sie ständig vor und hinter ihm. Da er ihnen befohlen hatte, sich prächtig zu kleiden, gab er ihnen ein gutes Gehalt und ließ sie die höchsten Ämter ausüben. Er befahl ihnen auch, deutsche Kleider zu tragen......."

die deutsche Vorstadt in Moskau ...... die deutsche Vorstadt

 

Marina Mniszech
Marina Mniszech

Der Pseudodemetrius scheiterte aber an denselben Gegensätzen wie seine Vorgänger. Seine Macht stützte sich nur auf die untere Bevölkerungsschicht und seine Reformversuche zu einer Europäisierung wurden als "polnisch inspiriert" wahrgenommen.

Er regierte ein knappes Jahr. Am 17. Mai 1606, kaum 14 Tage nach seiner Hochzeit mit der polnischen katholischen Aristokratin Marina Mniszecha und deren Krönung zur Zarin, wurde er durch revoltierende Bojaren unter der Führung von Wassili Schuiski ermordet.

Mord an Pseudodimitrius
Konstantin Makovsky: Mord an Pseudodimitrius

 

Gaukler

Der Leichnam des Pseudodimitrius wurde drei Tage lang auf dem Roten Platz zur Schau gestellt. Dabei war der ehemalige Zar zur Demütigung als Gaukler verkleidet, er lag auf einem Tisch mit einer Maske, einer Schalmei und einem Dudelsack.

Pardoxerweise festigte der Thronsturz im Volk den Namen des Zaren Dimitri sowie seinen Ruhm als Befreier, denn durch die Bojaren gestürzt zu werden, bedeutete, sich für das Volk eingesetzt zu haben.

 

Pseudodemetrius II.
Pseudodemetrius II. oder
der Schelm von Tuschino

Die allgemeine Zerrüttung des Landes, besonders die Unzufriedenheit der niederen Klassen, hatte das Auftreten neuer falscher Thronprätendenten, der "Schelm von Tuschino" und der Polenkönig Sigismund III. selbst zur Folge, die aber am Versuch für längere Zeit den Thron zu besteigen scheiterten.

 

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Anmerkungen

1Bojar = waren Adlige unterhalb des Ranges eines Fürsten bzw. des Zaren. In der Kiewer Rus hatte sich der Bojarenstand im 8.–9. Jahrhundert ursprünglich aus den Leibwachen der Fürsten entwickelt. Seit dem 12. Jahrhundert erlangten sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Seit dem 15. Jahrhundert war Bojar ein vom Großfürsten bzw. Zaren verliehener Titel der Mitglieder des Bojarenrates (Ratgeber der Großfürsten und Zaren). Da sie der zentralistischen Politik der Moskauer Großfürsten entgegentraten, versuchten diese seit dem 15. Jahrhundert, den Einfluss der Bojaren zurückzudrängen. Zar Iwan IV. ließ im 16. Jahrhundert viele Bojaren töten oder deportieren, nachdem sich diese, um ihre Privilegien fürchtend, gegen ihn verschworen hatten. Peter I. schaffte den Bojarenstand Anfang des 18. Jahrhunderts endgültig ab und ersetzte ihn durch den Dienstadel (dworjanstwo). Der letzte Bojar starb 1750.

2 Philaret = bürgerlicher Name: Fjodor Nikititsch Romanow (* um 1553; † 11. Oktober 1633). Philaret war der Sohn des Nikita Romanow († 1586) und der Eudokia Gorbaty-Schuiski. Philarets Vater, Nikita Romanowitsch, war der Bruder von Anastasia Romanowna, die 1547 Zar Iwan IV. heiratete und 1560 starb. Das machte Philaret zum Cousin des Zarewitsch Dmitri (der von seinem Vater erschlagen wurde) und auch zum Cousin von Zar Fjodor I. Nachdem er 1598 im Machtkampf um den Zarenthron unterlegen war, wurde er von Boris Godunow 1601 gezwungen, ins Kloster zu gehen und das Mönchsgelübde abzulegen, wo er den Namen Philaret (auch Filaret) annahm.
Unter der Herrschaft des Pseudodmitrius I. kehrte er 1605 nach Moskau zurück und wurde in den Jahren 1606–1610 Metropolit von Rostow und Jaroslawl. 1606 beteiligte er sich am Sturz des ersten Pseudodimitri. 1608 geriet er in die Gefangenschaft des Pseudodimitris II. 1610 erfolgte seine Rückkehr nach Moskau, wo er maßgeblich am Sturz Wassilis IV. Schuiski mitwirkte. Zu diesem Zeitpunkt setze sich Philaret dafür ein, einen ausländischen Fürsten auf den Zarenthron zu berufen. In diesem Sinne verhandelte er mit Polen über eine Kandidatur Sigismunds III. Im Zusammenhang mit seiner Weigerung, die Bedingungen der polnischen Seite anzunehmen, wurde Philaret festgenommen und 1611 nach Polen deportiert.