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Das Ansiedlungsgebiet im Raum Odessa
deutsche Kolonien im Bezirk Odessa
Das Liebentaler Gebiet
bei Odessa
Das Liebentaler Gebiet entstand zwischen 1804 und 1806. Es liegt zirka 20 km südwestlich von Odessa. In dieser Zeit entstanden hier insgesamt 11 Mutterkolonien (7 evangelische und 4 katholische).
Sie sind damit die ältesten Kolonien im Schwarzmeer-gebiet.
Die Gründerfamilien stammten zum größten Teil aus Württemberg. Die anderen kamen aus Preußen, Baden, dem Rheinland und aus dem Elsass.
Herzog Richelieu
Die älteste Mutterkolonie war das evangelische Großliebental (heute Welikodolinskoje) und war das Zentrum der von Deutschen dicht besiedelten Region.
Die Ansiedlung wurde vom Gouverneur, Herzog Richelieu1 persönlich geleitet und er soll ihr auch den Namen gegeben haben, weil sie ihm ganz besonders gefiel.
Nach der Umsiedlung der Deutschen in den Warthegau im Jahr 1945 wurde der Ort neu besiedelt und erhielt den Namen Welikodolinskoje.
Weitere evangelische Mutterkolonien waren Freudental, Peterstal, Neuburg (Nowogradowka), Alexanderhilf (Dobroalexandrowka), Lustdorf (Tschernomorka) und Güldendorf. Die ersten Ansiedler von Neuburg und Alexanderhilf starben aber in den ersten Jahren bis auf wenige Familien aus.
Zu den katholischen Mutterkolonien zählten Franzfeld, Josefstal (Jossipowka), Mariental (Marjanowka) und Kleinliebental (Malodolinskoje).
Die Beresaner Kolonien
bei Odessa
Im Jahre 1809/10 wurde das Gebiet am Steppenflüsschen Beresan nordöstlich von Odessa besiedelt. Zum Beresaner Bezirk gehörten die Kolonien Karlsruhe (Stepowoje), Rohrbach (Novo-svitlivka), Worms (Vynohradne), Rastadt (Poretschje), München (Porichchya), Johannestal, Katharinen-tal, Landau, Speyer, Sulz und Waterloo. Die meisten Siedler stammten aus aus den durch die Napoleonischen Kriege verheerten Rheinprovinzen (der Pfalz, dem Elsass und Baden). Es war der reichste aller Kolonistenbezirke.
Die Kolonisten gelangten über Böhmen, Schlesien, Mähren und Galizien5 bis zur Grenzstation Radzwillo. Von dort ging es über Odessa ins eigentliche Siedlungsgebiet.
Alle Kolonien gehörten ursprünglich zum Großliebentaler Gebiet. Aber seit 1813 bildeten sie das Beresaner Siedlungsgebiet.
Von den ersten sieben Kolonien waren Landau, München, Rastatt, Speyer und Sulz mit katholischen, Rohrbach und Worms dagegen mit protestantischen Einwohnern besiedelt.
Die Kutschurganer Kolonien
bei Odessa
Das Kutschurganer Gebiet wurde 1808 am Fluss Kut-schurgan, einem Nebenfluss des Dnister, angelegt von 100 Familien aus süddeutschen Ländern. Die meisten der Einwanderer stammten aus dem Elsass, aus Baden und aus der Pfalz.
Die bedeutendsten Kolonien des Kutschurganer Gebiets waren Straßburg (heute Kutschurgan), Baden, Selz, Kandel (heute Limanskoje), Mannheim (heute Kamenka) und Elsaß (bei Stepnoje).
Die sechs Kolonien, Baden, Elsaß, Kandel, Mannheim, Selz und Straßburg waren katholisch.
Die Glückstaler Kolonien
1804 kamen die ersten deutschen Siedler in der für ihre Ansiedlung vorgesehene armenische Stadt Grigoriopol an. Es waren drei Familien aus Württemberg.
bei Odessa
Zwischen 1804 und 1808 wuchs die Zahl der Siedler ständig an. Familien aus Württemberg (67), Polen (9), Ungarn (24), dem Elsass (10), aus Baden (9) und aus Hessen (2), aus der Pfalz (3), aus Sachsen (2) und aus Preußen (2) kamen hinzu. Da sich das Zusammenleben zwischen der armenischen und deutschen Bevölkerung in der Stadt nicht wie vorgesehen entwickelte, entschloss sich der damalige Gouverneur, Herzog Richelieu zu einer Umsiedlungsaktion. 1808 zogen die moldauischen Bewohner des Dorfes Glinnoi in die Wohnstätten der Deutschen in Grigoriopol. Diese zogen dafür nach Glinnoi, das so zur Mutterkolonie Glückstal wurde.
Im Zweiten Weltkrieg (1941-1944) gehörte das deutsche Siedlungsgebiet bei Odessa zum rumänischen Besatzungsgebiet Transnistrien. Die deutschstämmige Bevölkerung (rund 135.000) wurde von Februar 1944 bis Anfang Juli von den SS-Dienststellen als Administrativumsiedler6 in den Warthegau umgesiedelt.
Diejenigen, denen die Flucht in den Westen nicht gelang und in den Einflussbereich der Roten Armee kamen, wurden in die Sowjetunion repatriiert. Diejenigen, denen die Flucht in den Westen gelang, aber nicht untertauchen konnten, wurden von den Westalliierten (Briten und US-Amerikanern) als Displaced Person den sowjetischen Militärbehörden ausgeliefert und, wenn sie einem der fünf Kriterien der Konferenz von Jalta entsprachen, wurden sie ohne Rücksicht auf ihre individuellen Wünsche zwangsrepatriert7.
1Armand
Emmanuel du Plessis, Herzog von Richelieu (* 25. September
1766 in Paris; † 17. Mai 1822) war ein französischer Politiker,
Diplomat und Royalist. Er war ein Sohn von Herzog von Fronsac und Enkel
des Marschalls de Richelieu, der Ur-Urenkel des Kardinal Richelieus.
Um die Probleme der Französischen Revolution mit dem älteren Bruder
Joseph II. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Herrscher der Habsburgerländer)
zu besprechen, schickte ihn die Königin Marie-Antoinette 1790 nach Wien.
Bevor er eintraf starb Joseph II.
Riechelieu verblieb in Wien. Für diesen Aufenthalt wurde er in die Liste
der Émigré (französischer Begriff für royalistische und
protestantische Flüchtlinge während der Französischen Revolution).
Zusammen mit seinem Freund Prinz Charles de Ligne trat er als Freiwilliger in
die russische Armee ein; am 21. November erreichte er das russische Hauptquartier
in Bender. Er nahm an der Eroberung Ismails teil und erhielt von der Zarin Katharina
II das Sankt-Georgskreuz und ein goldenes Schwert.
Zar Alexander I., Nachfolger Katharinas II. und Pauls I., bot den Émigré Offiziersstellen
in seiner Armee an. Richelieu akzeptierte und stieg zum Generalmajor auf, wurde
aber durch Intrigen von seinen Feinden zum Rücktritt gezwungen. Auf Anfrage
der russischen Regierung wurde sein Name aus der Emigrantenliste (Liste der Personen,
die während der Französischen Revolution geflohen waren) gelöscht.
1803 wurde er Statthalter von Odessa. Zwei Jahre später wurde er Generalstatthalter
von Cherson, Jekaterinoslaw und der Krim, zu der Zeit Neurussland genannt und
kümmerte sich um alle Belange einer Region, die sich vom Dnister bis zum
Kuban erstreckte. In den elf Jahren seiner Verwaltung wuchs Odessa von einem ärmlichen
Dorf zu einer wichtigen Stadt.
Er kommandierte im türkischen Krieg von 1806/07 eine Division und war häufig
mit Expeditionen in den Kaukasus beschäftigt. Er organisierte den Ausbau
der Häfen und Festungen Cherson, Kinburn, Sewastopol und Odessa.
Von 1804 bis zu seiner Abreise nach Frankreich im Jahr 1814 hatte er die Oberaufsicht über
die ausländische Kolonisation Neurussland inne. Richelieu und Staatsrat
Samuel Kontenius kümmerten sich gemeinsam, jeder im Rahmen seiner Zuständigkeit,
um die Kolonisten. Diese Verbindung bestand auch dann fort, als Richelieu 1814
Ministerpräsident Frankreichs wurde.
2 Die Kolonie Neuburg,
die auf dem vom Grafen Potocki gekauftem Land gegründet wurde, lag
etwa 25 km südwestlich von Odessa das auf lag. Die Kolonisten kamen
vor allem aus Württemberg. Es handelte sich dabei hauptsächlich
um Handwerker, die erst Erfahrungen in der landwirtschaftlichen Arbeit
sammeln mussten. Ihren Namen erhielt die Kolonie in Erinnerung an die bayrische
Stadt Neuburg. Die Kolonie hatte einen schwierigen Anfang: kurz nach der
Ansiedlung brach die Ruhr aus. Die sehr beengten Wohnverhältnisse
trugen dazu bei, dass von den ursprünglich 65 Gründerfamilien
nur 29 die Epidemie überlebten, die aber auch zahlreiche Angehörigen
verloren hatten. Um die Einwohnerzahl wieder anzuheben wurden 1806 zunächst
13 neue Familien aus Württemberg angesiedelt. Da auch von diesen mehr
als die Hälfte der Ruhr zum Opfer fiel, mussten 1807 weitere 29 Familien
angesiedelt werden, die aus Ungarn (Donauschwaben)
stammten.
1929 wurden im Zuge der Entkulakisierung 16 Familien enteignet und verbannt.
1930 entstand hier ein Kolchos. 1937/38 wurden 35 Einwohner (34 Männer und
eine Frau) verhaftet. Ein großer Teil von ihnen wurde erschossen, die anderen
nach Kolyma verbannt. Im September 1941 wurde das Dorf von der rumänischen
Armee besetzt. Am 29. März 1944 erfolgte die Umsiedlung in den Warthegau.
Die ehemaligen Einwohner der Kolonie wurden dort in polnischen Dörfern einquartiert.
Einem Teil von ihnen gelang die Flucht nach Deutschland, die anderen wurden 1945
repatriiert.
3Die Kolonie Alexanderhilf (auch:
Alexejewka) lag etwa 25 km südwestlich von Odessa am Fluss Baraboj. Alexanderhilf
wurde von 66 Familien aus Württemberg, dem Elsass, der Pfalz und aus
Ungarn gegründet. Die Kolonie erhielt ihren Namen zu Ehren des Zaren Alexander
I. Von den für diese Kolonie vorgesehenen Siedlern starben bereits bei der
Anreise im Jahr 1804 in der Zwischenstation Owidiopol 366 Personen. In den Jahren
1805/1806 starb fast die gesamte Kolonie aus. Erst 1825 waren alle leer stehenden
Wirtschaften wieder durch neue Kolonisten besetzt.
1930 wurde Alexanderhilf kollektiviert und der Kolchos „Woroschilow“ gegründet.
Im Zuge der Entkulakisierung wurden im Dorf acht Familien enteignet, eine von
diesen wurde in den Hohen Norden verbannt. Zwischen 1936 und 1941 wurden 54 Einwohner
verhaftet. Allein 1937/38 fielen 42 Personen den Repressionen Stalins zum Opfer.
Von ihnen wurden 15 erschossen. Die Kolonie gehörte während der Sowjetzeit
bis 1938 zum deutschen Rayon “Spartakus”. 1941 wurde es von der rumänischen
Armee besetzt. Im März 1944 wurden die deutschen Einwohner beim Rückzug
der deutschen Wehrmacht in den Warthegau umgesiedelt und 1945 zerstreut.
4Die Kolonie Lustdorf(auch: Kaiserheim, Olgino) lag etwa 8 km südlich von Odessa. Die Kolonie wurde 1805 von 49 evangelischen Familien aus dem Raum Württemberg, Baden und dem Elsass gegründet. Lustdorf nahm eine gewisse Sonderstellung unter den Kolonien des Groß-Liebentaler Gebietes ein, da es sich bei den Kolonisten zumeist um Handwerker handelte. Jeder Familie wurden hier nur 27,25 Desjatinen zugeteilt. Die Landwirtschaft war ein Nebenerwerbszweig. Die Kolonie, die unmittelbar am Meer lag, wurde zu einem Handwerker-, Kur- und Badeort. Nach 1945 ging die Kolonie im Stadtgebiet von Odessa auf. Heute trägt der Ortsteil den Namen „Tschernomorka“ (Schwarzmeersiedlung).
5 Galizien =
das nördliche Karpatenvorland zwischen der oberen Weichsel und der
Bukowina.
Der Name Galizien knüpft an das Fürstentum Halitsch (Galitsch) an,
das sich im 11. Jahrhundert vom Kiewer Reich löste. 1349 kam das Gebiet
nördlich der Karpaten und östlich des Flusses San an Polen. Bei der
1. Polnischen Teilung 1772 fiel es zusammen mit dem kleinpolnischen Gebiet südlich
von Weichsel und Wisłoka als Königreich Galizien und Lodomerien an Österreich;
dieses gesamte Gebiet hieß seit 1795 Ostgalizien. Die in der 3. Polnischen
Teilung 1795 von Österreich erworbenen Gebiete bis zum Bug und zur Pilica,
Westgalizien genannt, kamen an das Herzogtum Warschau, 1815 an Kongresspolen.
- Das historisch überwiegend von Ukrainern bewohnte östliche Galizien
wurde 1919 wieder Polen einverleibt, nachdem dort kurze Zeit eine Westukrainische
Volksrepublik existiert hatte. Seit 1939 ist dieses neuerdings gleichfalls Ostgalizien
genannte Gebiet ein Teil der Ukraine. Als Westgalizien bezeichnet man heute das
polnische Nordkarpatenvorland.
6 Man unterscheidet zwischen Administrativumsiedler und Vertragsumsiedler. Administrativumsiedler waren ca. 228.000 Volksdeutsche, die nach einer Anordnung der Militär- und Zivilverwaltung des Dritten Reiches in den besetzten Gebieten der UdSSR (Reichskommisariat Ukraine, rumänische Transnistrien) ohne einen zwischenstaatlichen Vertrag in den Jahren 1942-44 in den Warthegau oder ins Altreich umgesiedelt wurden. Fast alle von ihnen hatten bis Kriegsende die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen bekommen.
1. Wohnsitz auf sowjetischem Territorium am 1. September 1939
2. nach der Konferenz von Jalta (11. Februar 1945, Tag der Unterzeichnung des Jalta-Abkommens) in westalliierte Hand geraten
3. am 22. Juni 1941 oder später dienstpflichtig in der Roten Armee
4. Gefangennahme in einer deutschen Uniform
5. Nachweis für Kollaboration
Die Kriterien 1. und 2. sollten verhindern, dass Angehörige der nach 1917 emigrierten Sowjetbürger von der Zwangsrepatriierung bedroht waren. Außerdem erkannten die Amerikaner wie die Briten die Annexion der Westukraine, West-Weißrusslands, Lettlands, Litauens und Estland durch die Sowjetunion von 1939/1940 nicht an und zählte folglich die 'Kinder' all dieser Staaten nicht als sowjetische Staatsbürger.
In den Augen Stalins galten alle sowjetischen Bürger, die sich während des Zweiten Weltkriegs aus welchen Gründen auch immer zeitweise außerhalb des UdSSR aufgehalten hatten als 'Vaterlandsverräter' und 'engste Kollaborateure des Naziregimes' und sollten dementsprechend behandelt werden.
Im Rahmen der Operation Keelhaul (engl. für Kielholen) wurden zwischen 1943 und 1947 rund zweieinhalb Millionen Menschen, die aus dem Gebiet der Sowjetunion stammten, von den Briten und den US-Amerikanern dorthin zurückgeschickt. Viele dieser Menschen kamen ums Leben, durch Selbstmord oder auch durch Hinrichtungen. Andere wurden, entgegen dem Versprechen wieder in der alten Heimat angesiedelt zu werden, in 'neue Ansiedlungsgebiete', vor allem nach Sibirien unf nach Kasachstan gebracht und dort in Sondersiedlungen oder Arbeitslager (Trudarmee) eingewiesen.
Das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 regelte die Repatriierung mit Artikel 135 (Die Kosten für die Repatriierung hat die internierende Partei zu tragen) dann völkerrechtlich.
7 Repatriierung = (lat. repatriare "ins Vaterland zurückschicken") Unter Repatriierung versteht man allgemein die völkerrechtliche Rückführung von Menschen durch den Aufenthaltsstaat und die Wiederaufnahme dieser Menschen durch den Heimatstaat. Nachdem 2. Weltkrieg kam es zu einer Repatriierungswelle von Russlanddeutschen aus Deutschland.
Gemäß den Vereinbarungen auf der Konferenz von Jalta unterzeichneten die westlichen Regierungen USA und Großbritannien am 11. Februar 1945 ein Abkommen mit der Sowjetunion, das eine Repatriierung sowjetischer Displaced Persons (DP) vorsah, die in der Obhut der Westalliierten waren. Nach dem SHAEF-Befehl sollten sie 'nach Identifizierung durch sowjetische Repatriierungsvertreter ... ohne Rücksicht auf ihre individuellen Wünsche' auf den Transport Richtung Osten geschickt werden