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Der Russische Bürgerkrieg

Anton Iwanowitsch Denikin
Anton Iwanowitsch Denikin

Im Frühjahr 1919 kamen die Weißen1 unter General Anton Denikin und kontrollierten bis Anfang des Sommers einen Großteil der Ukraine.

Unter den Soldaten waren mehrere tausend deutsche Kolonisten und auch einige Schweden aus Altschwedendorf, die ihre Häuser verteidigten.

Am 20. Mai trieb General Denikin die Rote Armee (Bolschewiki2) zum westlichen Ufer des Dnepr zurück, so dass die Roten auf der Seite von Altschwedendorf und die Weißen auf der gegenüberliegenden Seite Stellung bezogen.

Die Front blieb hier vom 20. Mai bis zum 6. August 1919. Der Gegenangriff der Roten Armee im August gegen Denikin zwang diesen zum Rückzug in den Norden.

„... Der Dnjeper bildete die Grenze zwischen beiden Stellungen und Großvaters Gut lag zwischen den beiden Lagern. Die Roten belegten jetzt die ganze Gegend mit Machinengewehrfeuern. Natürlich wollten die Weißen nichts schuldig bleiben, so daß es lange dauerte bis die Ruhe wieder hergestellt war..."

aus: privater Familiensammlung
der Schwedenbezirk am Dnepr
der Schwedenbezirk am Dnepr

Die Wut der Bolschewiki2 gegen die deutschen Kolonisten steigerte sich immer mehr, da sie nun wussten, auf welcher Seite die Kolonisten standen.

In Altschwedendorf hatte die Rote Armee in der Dorfmitte eine Kanonenbatterie auf-gestellt. Bis die Einwohner den befehlshabenden Offizier über-zeugen konnten, die Kanonen woanders aufzustellen, riskierte jeder im Dorf sein Leben.

Im September 1919 stationierte die Rote Armee dann einige Deutsche, sogenannte "Sparta-kisten" (deutsche Kommunisten) im Dorf.

Pjotr Nikolajewitsch Wrangel
Pjotr Nikolajewitsch Wrangel

Bis zum Winter 1920 war General Denikin siegreich. Dann wurde der Großteil seines Heeres im Norden vernichtet und der Rest floh auf die Krim.

Daraufhin kam Graf Pjotr Wrangel, Denekins Nachfolger, der ein weiteres Heer zusammenstellte und von England und Frankreich Unterstützung (Kanonen, Munition, einige Flugzeuge) erhielt.

Von April bis Oktober 1920 wurden einige 70.000 rote Soldaten im Schwedenbezirk aufgestellt, die alles nahmen, was nützlich sein konnte.

„... Schließlich kam es so weit, daß sich die Roten nächtliche Überfälle auf einzelne deutsche Gehöfte erlaubten. Bei so einem Überfall wurde das ganze Haus in Mitleidenschaft gezogen vom Keller bis zur äußersten Dachkammer. Im Keller betranken sich die roten Horden zuerst einmal, dann schlugen sie die Böden der Weinfässer ein, um den Wein, der den ganzen Keller überschwemmte, den Pferden in Eimern zu reichen. In der Wohnung schlitzten sie die Betten auf, daß die Federn nachher nur so herumwirbelten. Schmuck und ähnliches wertvolles Gerät wurde eingepackt und mitgenommen. Wenn dann aber der neue Tag am Horizont heraufzog, sattelten sie geschwind die Pferde und eilends ging es auf und davon. Solche Überfälle nahmen immer mehr zu, so daß in vielen Nächten die ganze Familie zur Flucht gezwungen wurde. Als die Roten aber soweit gingen, einzelne Gutsbesitzer einfach ohne Grund zu morden, packten die deutschen Familien ihre Habseligkeiten zusammen und flohen.... "

aus: privater Familiensammlung

Im Herbst 1920 griff die Rote Armee den Feind auf der rechten Seite des Dneprs an und zwang diese, sich zurückzuziehen.

Iwan Wladimirow: Die Eroberung eines Panzers bei Kachowka
Iwan Wladimirow: Die Eroberung eines Panzers bei Kachowka

Als die Rote Armee das Schwedengebiet verließ, waren nur noch 63 abgemagerte Pferde und einige 70 Stück Vieh am Leben.

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Anmerkungen

1 Die Weißen (auch: Weiße Armee, Weiße Garde) waren die Truppen der russischen Weißen Bewegung, die im Russischen Bürgerkrieg (1918-1922) gegen die Bolschewiki kämpften und deren Hauptkontrahent waren.
Monarchisten, die das Zarentum wiedererrichten wollten aber auch gemäßigte Sozialisten und Republikaner, die gegen jegliches bolschewistisches Gedankengut waren, vereinigten sich in der weißen Bewegung. Sie alle einte als Grundsatz ihres Handelns: „Russland – vereint, mächtig und unteilbar“.

2 Bolschewiki = ist eine ehemalige Bezeichnung für Parteimitglieder der KPdSU  (Kommunistische Partei der Sowjetunion). Der Begriff entstand 1903 auf dem zweiten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands ( SDAPR ) in London. Die Anhänger Lenins stellten auf diesem Parteitag die Mehrheit (russ. bolschinstwo ) weswegen sie Bolschewiki genannt wurden. Die Minderheit (russ. menschinstwo ) nannte man Menschewiki.
Die Bolschewiki waren wesentlich radikaler als die anderen Teile der Partei. Sie strebten den baldigen Sturz des Zaren und die damit verbundene Einführung des Kommunismus an. Die Menschewiki verfolgten zwar das selbe Ziel wollten aber erst ausreichende Reformen einleiten.
Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs verurteilten die Bolschewiki eine Teilnahme Russlands als imperialistische Aggression. Sie gewannen stark an Zuwachs als die Truppen des Zaren an fast allen Fronten Rückschläge hinnehmen mussten.
In der  Oktoberrevolution  von  1917  wurden sie die stärkste Macht im Lande. Der aus dem Exil zurückgekehrte Wladimir Iljitsch Lenin übernahm die Führung der Kommunisten. Seine Macht basierte teilweise auf der Unterdrückung seiner Gegner.
Lew Trotzki, Volkskommissar für das Kriegswesen, formierte nach dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk, den er als persönliche Niederlage betrachtete, die Rote Arbeiter- und Bauernarmee mit der er erfolgreich im russischen Bürgerkrieg (1917/18-1920) gegen die zaristisch-bürgerlichen Weißen, vorgehen konnte.
Bis 1922 schafften es die Bolschewiki fast den gesamten Osten des riesigen russischen Reiches zu kontrollieren. Damit verbunden war der so genannte Kriegskommunismus eine Wirtschaftspolitik die alle Unternehmen unter staatlicher Kontrolle stellte. Weitere repressive Maßnahmen führten zu extremen Versorgungsengpässen und damit auch zu Aufständen innerhalb der Bevölkerung.
Nach 1918 nannten sich die Bolschewiki "Kommunistische Partei und ab 1925 Kommunistische Partei der Sowjetunion mit dem Anhang (Bolschewiki). Im eigenen Land nahmen besonders zu Stalins Zeiten Repressalien gegen die sowjetische Bevölkerung zu. Die Geheimpolizei unterdrückte jede Opposition und bei Säuberungsaktionen wurden viele Kritiker und potenzielle Feinde verhaftet und getötet. Auf diese Art und Weise beherrschten die Kommunistische Partei lange Zeit das Land.

3 Kulak = Bezeichnung für den russischen Mittel- und Großbauern aber auch eine abfällige Bezeichnung der wohlhabenden Bauern auf dem Lande. Kulak, was wörtlich übersetzt “Faust“ bedeutet (jemand, der seinen Besitz fest in den Fäusten hält), wird im Sinne von “Wucherer“ oder “Dorfkapitalist“ gebraucht. Jemanden, der kleine Bauern und seinen in Not geratenen Nachbarn um Hab und Gut gebracht hatte.
Nach der Oktoberrevolution von 1917  und im Verlauf der Kollektivierungsmaßnahmen (1929/30) unter Stalin wurde der Begriff Kulak zum Schimpfwort und auf alle angeblichen 'Ausbeuter' in der Landwirtschaft ausgedehnt und als feindliche 'Klasse' liquidiert. Auch Witwen und alte Bauern fielen unter diese Kategorie, weil sie einen Knecht oder eine Magd beschäftigten.
1919 war ein Kulak der, der zwei Häuser mit Blechdach, mehr als fünf Kühe oder Pferde oder mehr als 20 Schafe besaß. Auf dem Höhepunkt der Kollektivierung (1932) bedeutete bereits geringfügiges landwirtschaftliches Eigentum, wie zum Beispiel eine Kuh oder die Beschäftigung von Tagelöhnern oder Mägden und Knechten als Kulakentum und führte zu Zwangsmaßnahmen: Schon seit 1927 mussten sie höhere Steurn bezahlen und bekamen keine Kredite oder Geräte mehr. Viele verkleinerten ihre Anbaufläche und ihren Viehbestand, um kein 'Kulak' mehr zu sein, was dazu führte, dass bald Getreide für den Export und zur Versorgung der Städte fehlte.
Im Herbst 1929 wurde es den Kulaken verboten, in die entstehenden Kollektive einzutreten, weil man dort ihre Meinungsführerschaft fürchtete, was dann zu Enteignung und schließlich zu Deportation in menschenleere Gebiete oder in den Gulag führte. Oft wurden auch die Familienangehörigen der 'Kulaken' und sogar angebliche Kulakensöldlinge verfolgt.
Auf der Grundlage der Beschlüsse des Zentralexekutivkomitees und des Rates der Volkskommissare vom 30. Januar und 1. Februar 1930 und einer Instruktion vom 4. Februar wurden alle Kulaken in drei Kategorien eingeteilt: die Bauern der 1. Kategorie galten als 'konterrevolutionäre Elemente', die entweder gleich erschossen, oder in ein Arbeitslager der GPU (Staatssicherheitsdienst) gebracht wurden. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und ihre Angehörigen fielen unter die Deportierten.
Die Kulaken der 2. Kategorie waren zwar weniger gefährlich, galten aber als 'fürchterliche Ausbeuter'. Sie wurden enteignet, verhaftet und mit ihren Familien in entlegene Gebiete deportiert.
Die Kulaken der 3. Kategorie galten als 'staatstreu, wurden enteignet und in unfruchtbare, unkultivierte Zonen ihrer Distrikte umgesiedelt.