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Auswanderungsverbote in deutschen Ländern
im 18. Jahrhundert

Auswanderungsverbote im Erzbistum Trier1

Während der verschiedenen französischen militärischen Aktionen [Reunionskrieg (1683–1684), Pfälzischer Erbfolgekrieg (1688–1697), Spanischer Erbfolgekrieg (1701–1714)] wurde das Erzbistum Trier zwischen 1683 und 1714 mehrfach heimgesucht und für längere Zeit besetzt, was zu größeren Auswanderungswellen führte und von den wiederholten Dekreten gegen die Auswanderung deutlich dargestellt wird.

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Das Heilige Römische Reich mit dem Erzbistum Trier um 1648
Das Heilige Römische Reich mit dem Erzbistum Trier um 1648

Im März 1723 gingen vom Erzbistum Trier aus ungefähr 60 Familien ins Ausland, obwohl Johann VIII. Hugo von Orsbeck, Erzbischof und Kurfürst von Trier, schon am 17. Juni 1709 gegen Auswanderungen nach Nordamerika (Pennsylvania, Carolina und New York) warnte, dass nicht, wie angegeben „catholische, sondern allein luterisch-calvinisch- und dergleichen ketzerische Religionen geduldet werden, so daß diejenigen, welche sich dahin zu begeben gesinnet, sowohl Leib als Seele in höchste Gefahr setzen.

Ab 1712 richteten sich die Auswanderungen nach Osten, nach Sathmar und Carei, ab 1722 in die Schwäbische Türkei und das Banat im damaligen zu Österreich gehörenden Königreich Ungarn.

die Schwäbische Türkei und das Banat in Mitteleuropa vor dem 1. Weltkrieg
die Schwäbische Türkei und das Banat in Mitteleuropa vor dem 1. Weltkrieg

Zur Anwerbung neuer Ansiedler fanden sich Werber (Emissare) ein, in deren Interesse es lag, so viele Ansiedler wie möglich zu gewinnen. Dazu sparten sie keine Mühe durch Versprechungen und Vorspiegelung des erschwinglichen neuen Landes Auswanderungslustige anzuwerben. Wenn die Werber damit aber nicht ans Ziel kamen oder ihr Geschäft wegen Einwanderungsverbot nicht offen betreiben konnten, beauftragten sie Einheimische zum Anwerben, die dann aus Gewinnsucht die Unterhändler zwischen den Werbern und ihren Landsleuten wurden und ohne alles Aufsehen und geheim die Anwerbung bewerkstelligen und die Auswanderung befördern konnten.

Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg
Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg

Am 8. Juni 1724 verbot Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, Kurfürst und Erzbischof von Trier, den erzstiftischen Untertanen nach Ungarn ins zu Österreich gehörende Temeswarer Banat auszuwandern. Außerdem wurde den „Lokalbehörden deren Verhinderung, so wie die Verhaftung der zu solchen Emigrationen verleitenden Emissaren [Werber] befohlen.“ Außerdem wurde bekannt gemacht, „dass von Seiten Österreichs nur denjenigen Einwanderern der einzige Vortheil des freien Transportes auf der Donau gewährt wird, welche sich über ein Vermögens-Besitz von 2 bis 300 Reichgulden ausweißen, daß aber alle Andere in ihre Heimath zurückgewiesen werden.

Dieses Verbot scheint aber wenig gefruchtet zu haben, da dasselbe schon am 6. Juli 1726 wiederholt eingeschärft werden musste, mit der weiteren Bestimmung „daß Solche, die in Ungarn ihr erträumtes Glück nicht gefunden hätten oder zu freiem Transport nicht angenommen worden seien, und in kürzerer oder längerer Frist in ihre frühere Heimath wieder zurückkehren wollten, nicht nur nicht aufgenommen, sondern gleich den Zigeunern2 und Vagabunden3 behandelt und des Landes verwiesen, auch die ferner auf der Emigration betroffen werdenden Unterthanen, mit der Confiskation ihrer Haabe, die Unvermögenden aber mit Leibesstrafe, belegt werden sollen.

Aber auch dieses Verbot nützte anscheinend nicht viel, denn am 5. und 26. August des gleichen Jahres und am 26. August 1731 wurde das obengenannte Auswanderungsverbot wiederholt.

Obwohl der immer schärferen Auswanderungsverbote wollte es den Erzbischöfen nicht gelingen, die Auswanderungslust einzudämmen. Im ganzen kurrheinischen Reichskreis (Mainz, Trier, Köln, Pfalz) und anderen vorderen Reichskreisen4 kam es zu Auswanderungsverboten.

Die 10 Reichskreise mitte des 16. Jahrhunderts
Erzbischof Johann IX. von Trier
Erzbischof Johann IX. von Trier

Am 21. und 28. April 1763 verordnete der katholische Erzbischof von Trier, Johann IX., eine Verschärfung der früheren Strafbedingungen, mit der Begründung, dass „Bei den verbotwidrig wieder stattfindenden Auswanderungen in die sogenannten neuen Länder [Amerika], werden die am 8. Juni 1724 und später erlassenen Verbote und Straf-Bestimmungen erneuert und dahin geschärft, daß die, die Auswandrer treffende, Vermögens-Confiskation sich auch auf ihr vor der Auswanderung veräußertes, oder ihr im Lande künftig ererbendes Vermögen dergestalt erstrecken soll, daß die für ewige Zeiten aus ihrem Vaterlande verbannten Emigranten, so wie ihre Kinder und Erben, von allem Erbschaft-Rechte im Erzstifte Trier ausgeschlossen, und durch den churfürstlichen Kameral-Fiskus remplacirt werden sollen. Die zu Emigrationen verleitenden erzstiftischen Unterthanen sollen mit der vorbezeichneten Vermögens-Confiskation und mit Landesverweisung auf ewige Zeit bestraft, die ausländischen, zu Auswanderungen der Unterthanen verführenden Emissarien [Werber] aber, müssen mit einem Brustschilde, worauf die Worte „Verführer der Unterthanen“ zu setzen, eine Zeitlang öffentlich an den Pranger5 gestellt, mit Ruthen ausgestrichen, und für ewige Zeiten des Landes verwiesen werden, in so fern keine Lebenstrafe gegen dieselbe erkannt wird.“

Auswanderungsverbot vom Erzbischof von Trier
Von Gottes Gnaden Wir Johann Philipp Erz-Bischof zu Trier,
des Heil. Röm. Reiches durch Gallien und das Königreich
Armut
Armut

Danach trat anscheinend ein Kurswechsel ein, denn schon am 28. Januar und am 21. Februar 1764 wurde die obige Verordnung „wegen der (ungeachtet der vorbemerkten und erneuerten Bestimmungen) fortdauernder heimlichen Auswanderungen und, in Berücksichtigung der vielfach nachgesucht werdenden Emigrations-Consense, ferner landesherrlich verordnet, daß ….. welche die Auswandrungen der dem Lande, durch Armuth, Schwelgerei oder Müßiggang lästigen Unterthanen nicht hindern sollen, setzen unter Anderem fest, daß der Emigrirende vor Gericht seine Schulden liquidiren und tilgen und auf seinen Vermögens-Rest, so wie auf alle seine künftigen Erbansprüche im Lande verzichten müsse, indem diese Activa [Barvermögen, ausstehende Forderungen], mit Ausnahme von 10 Reichsthalern Wege-Zehrungsgeld, zur churfürstlichen Hofkammer eingezogen werden sollen; ...

Am 8. Mai 1764 wurde den zurückkehrenden Auswanderern die Wiederaufnahme in ihre früheren Wohnstätten bis auf weitere Verordnung landesherrlich gestattet, jedoch schon am 21. Juli wurde bekannt geben, „dass dadurch die Wirkungen des Edikts vom 28. April 1763, in Bezug auf die früher veräußerten oder besessenen Güter der Auswanderer nicht aufgehoben, vielmehr die diesjährigen Früchte solcher Confiskationen wirklich sequestriet werden sollen.

Heimkehrer
Heimkehrer

Wegen den weiterhin stattfindenden Auswanderungen nach Ungarn wurde am 21. Februar 1765 bestimmt, „daß sowohl dahin als nach andern Ländern die Auswanderung verboten sei“ und letztlich, am 30. März desselben Jahres, wurde den zurückgekehrten Auswanderern ihre „confiscirten und ihre früher veräußerten Güter, Letztere gegen Erstattung des dafür empfangenen Preises, wieder eingeräumt und sie als Unterthanen wieder aufgenommen werden sollen; daß sie aber den Wiedereintritt in ihre frühern Bürgerrechte6 durch Erlegung der Hälfte des üblichen Bürger-Geldes, oder durch Leistung doppelter Gemeinde-Frohndienste während eines Jahres erwerben müssen, welches denselben als Strafe ihres frevelhaften Auswanderns aufgelegt wird.

Als 1766 „sogar russische und andere Emissarien [Werber] der Orts herumstreiften und nicht nur das arme Landvolk mit den gottlosesten Verblendungen irr zu machen und zu verführen trachteten, sondern auch hier und dort noch aigne Churfürstlich Unterthanen zu Gehülfen hätten, die sich aus einer höchst sträflichen Gewinnsucht in solcherley boßhaften Menschenverkauf unverantwortlich zu mischen keine Scheu trügen“ und zur Auswanderung nach Russland aufriefen, verfügte die Kurfürstliche Regierung am 17. Februar 1766, dass „die am 28. April 1763 und später erlassenen Strafbestimmungen zur Anwendung kommen, und werden die Lokalbehörden angewiesen, deren Vollziehung sowohl, als auch die Strengste Paßpolizei gegen Fremde auszuüben.“ Nur der, der durch „Armuth, Schwelgerei oder Müßiggang“ dem Land lästig war, durfte das Land verlassen. Dafür sollte er, wie im Edikt vom 21. Februar 1764 beschrieben einen „Emigrations-Consens“ beantragen.

Trotz dieser Erschwerungen kam es so häufig zu Auswanderungsanträgen, dass mit Dekret vom 1. März 1766 die „Nachsuchung landesherrlicher Emigrations-Consense verboten“ wurde und mit dem Beschluss vom 20. Mai desselben Jahres „gegen alle Auswanderer Zuchthaus-, Schanzarbeits- und Vermögens-Confiskations-Strafen, gegen die zu Emigrationen verführenden Emissarien und deren Unterhändler aber, Leib- und Lebens-Strafen verhängt“, was dann durch das Reichsedikt vom 7. Juli 1768 bestätigt wurde.

Der Kurrheinische Reichskreis Anfang des 16. Jahrhunderts
Der Kurrheinische Reichskreis
Anfang des 16. Jahrhunderts

Im Juli 1766 traten alle Kurfürsten und Fürsten des Kurrheinischen Reichkreises mit einem strengen Verbot gegen das Auswandern auf, da sich so viele Werber im Reichskreis aufhielten, die die „Unterthanen mit Weib und Kindern verführten“ und das zu einer Zeit, wo der erst vor wenigen Jahren beendigte Krieg [Siebenjährigen Krieg (1756–1763)] unzählige Menschen hingerafft habe. Artikel 1 verodnete, dass „Niemandem, wer der auch sein möge, der Abzug außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Grenzen gestattet sein. Die, welche heimlich entweichen, sollen gefänglich eingezogen und nach Befund mit Zuchthaus- und Schanzenstrafe, auch allenfallsiger Einziehung ihrer Güter bestraft werden. Auf die im Lande herumziehenden Unterhändler, Verführer und Emissarien soll strengstens invigilirt und müssen solche bei dem mindesten Verdachte beim Kopf genommen und nach Maßgabe erschwerender Umstände mit Leibs- oder auch Lebensstrafe bestraft werden.

Das Heilige Römische Reich um 1648
Das Heilige Römische Reich um 1648

Da all diese Regelungen die Lust und die Verführung zum Auswandern nicht beikommen konnten und heimliches Auswandern förderten, verlangten vor allem der Kur-, der Oberrheinische und der Fränkische Reichskreis von Kaiser Joseph II. im Mai 1767 Maßnahmen auf Reichsebene. Das Interesse des habsburgischen Kaisers an einem Eingreifen war allerdings gering, weshalb er eine koordinierende Aktion auf Kreisebene empfahl. Erst auf massiven Druck der Fürsten der Vorderen Reichskreise ließ sich Joseph nach mehr als einem Jahr am 7. Juli 1768 zum Erlass eines Ediktes bewegen.

Die 10 Reichskreise mitte des 16. Jahrhunderts

Weitere Dekrete des Erzbistums Trier gegen die Auswanderung sind vorhanden vom 27. August 1768, 15. Februar 1777, 15. und letztlich vom 22. April 1786, wo die vorstehenden Verordnungen mit Angabe der Modalitäten noch einmal eingeschärft wurden.

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Anmerkungen

1 Quellen = Die Reformation in Trier, H. B. König, Bonn, 1845.
Johann Josef Scotti: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstentum Trier über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind, vom Jahre 1310 bis zur Reichs-Deputations-Schluß-mäßigen Auflösung des Churstaates Trier am Ende des Jahres 1802, 2. Theil, Joseph Wolf, Düsseldorf, 1832.
Jakob Marx: Geschichte des Erzstifts Trier: D. I. Der Stadt Trier& des Trier. Landes, als Churfürstenthum und als Erzdiöcese, von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1816, Zweiter Band, Lintzschen Buchhandlung, Trier, 1859.
Jan Ziekow: Über Freizügigkeit und Aufenthalt, Mohr Siebeck, Tübingen, 1997.

2 Zigeuner = der Nahme eines herum streifenden ausländischen Gesindels, welches bald nach dem Anfange des 15ten Jahrh. in Deutschland und dem westlichen Europa bekannt ward. ( Quelle: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1715.)

Pranger
Pranger

3Vagabund = eine Person, welche im Lande umherschweift, ohne einen festen Wohnsitz oder eine anständige Erwerbsquelle zu haben. Das ältere deutsche Recht zählt dahin Marionettenspieler, Schattenspieler, Seiltänzer, Bärenführer, Marktschreier, Zigeuner, Gaukler und Glücksritter; unsere heutige Policei versteht aber Jeden darunter, welcher ohne genügende Legitimation und ohne sich über einen bestimmten Erwerb und hinlängliche Subsistenzmittel ausweisen zu können, umherschweifend betroffen wird. Damit solche Vagabunden nicht durch Betteln, Stehlen oder auf andere Weise den Einwohnern oder den Unterstützungsfonds zur Last fallen, sucht man sich ihrer durch Ausweisung so schnell als möglich zu entledigen und droht im Wiederbetretungsfalle auch wol mit Einsperrung. Ihre Heimat muß dort angenommen werden, wo ihre Ältern leben oder zuletzt ihren Wohnsitz gehabt haben, oder ist dies unbekannt, wo sie geboren sind. ( Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 549-550.)

4 Vordere Reichskreise = Die Vorderen Reichskreise wurden die Reichskreise genannt, die im Westen des Heiligen Römischen Reichs lagen. Sie waren wegen ihrer Lage entlang der Reichsgrenze gegen Frankreich stets gefährdet und hatten vor allem in der Zeit der Expansionsbestrebungen des „Sonnenkönigs“, Ludwigs XIV., ein besonderes Sicherheitsbedürfnis. Daher bildeten sie mehrmals – in unterschiedlichen Zusammensetzungen – lose Kreisassoziationen zur gemeinsamen Verteidigung.

5 Pranger = Schandpfahl; steinerner Pfeiler oder hölzerner Pfahl zur beschimpfenden Ausstellung von Verbrechern auf einem öffentlichen Platz, was im 19. Jahrhundert außer Gebrauch kam.

6 Bürgerrecht = 1) so viel wie Staatsbürgerrecht; 2) so viel wie Ortsbürgerrecht in einer Stadt. (Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 475.)

7 Die Vorderen Reichskreise wurden die Reichskreise genannt, die im Westen des Heiligen Römischen Reichs lagen. Sie waren wegen ihrer Lage entlang der Reichsgrenze zu Frankreich stets gefährdet und hatten vor allem in der Zeit der Expansionsbestrebungen des „Sonnenkönigs“, Ludwigs XIV., ein besonderes Sicherheitsbedürfnis. Daher bildeten sie zur gemeinsamen Verteidigung mehrmals – in unterschiedlichen Zusammensetzungen – lose Kreisassoziationen.