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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert

Peter I. - Jugend

Peter I. mit seiner Mutter Natalia
Peter I. mit seiner Mutter Natalia,
dem Patriarchen Stefan Yavorsky
und seinem Lehrer Nikita Zotov

Im Rechnen unterwies den jungen Peter der Leutnant Franz Timmermann1 aus Holland, der ihm auch die Grundbegriffe in Mathematik und Kriegs-kunst beibrachte. Man verband Theorie mit Praxis, indem Lehrer und Schüler gemeinsam an einer kleinen Schanze arbeiteten, ihr den Namen Presburg gaben, sie mit Kanonen versahen, sie angriffen und verteidigten.

 

Preobraschenskoje
Preobraschenskoje zur Zeit Peters des Große

Als 15-jähriger suchte sich Peter für seine Jugendspiele das Dorf Preobrashenskoje an der Jausa, einem kleinen Nebenfluss der Moskwa, aus.

In einiger Entfernung lag an eben diesem Flüsschen auch die Deutsche Vorstadt (Nemezkaja Sloboda2). Wenn Peter ein technisches Problem oder eine Frage hatte, dann suchte er sich die Lösung oder Antwort nicht bei seiner russischen Umgebung, sondern in der Ausländervorstadt.

Peter I. in der Deutschen Vorstadt
Peter I. in der Deutschen Vorstadt

Durch seine Beziehungen zur Ausländervorstadt erhielt er erste, wenn auch nur rudimentäre Eindrücke von der damaligen westeuropäischen Lebensweise. Man muss dies im Auge behalten, wenn man die enge Verbindung zwischen Peter und François Lefort verstehen will.

 

In Preobrashenskoje beschäftigte er sich vor allem mit dem Kriegsspiel. Er bildete mit Gleichaltrigen eine Kriegerschar von 50 Mann, mit denen er Kriege simulierte.

Ursprünglich wurde nur mit Attrappen gekämpft, doch bald zogen richtige Gewehre in das Spiel mit ein. Peter erhielt aus dem Arsenal alles, was er brauchte (Uniformen, Kriegsgerät usw.)

 

Peter I. in seiner Jugendzeit
Peter I. in seiner Jugendzeit

Die Gesellschaft organisierte sich zu einer Kompanie, deren Mitglieder Poteschnin genannt wurden, d.h. Leute, die zu jemandes Vergnügen oder Belustigung dienen. Peter verlangte unter den Leuten der Kompanie keinen Vorzug. Er diente anfänglich als Gemeiner oder sogar als Trommelschläger und als Soldat stand er Wache, wenn er an der Reihe war.

Wer hätte denn geahnt, dass diese kleine Schar zu einem Heerhaufen heranwachsen würde, der dann später die Strelitzen3 stürzen, Sofias Selbstüberhebung brechen und Russlands Kriegerruhm gründen würde.

 

Peter I. um das Jahr 1697
Peter I. um das Jahr 1697

Als der Ruf von den Kriegsübungen, die man in Preobrashenskoje vornahm, sich verbreitete, wurde es unter den Jünglingen der höheren Stände eine Ehrensache sich unter die Poteschnin aufnehmen zu lassen und ein Spielgeselle Peters zu werden. Unter ihnen befanden sich auch einige Ausländer aus der Deutschen Vorstadt, denen Peter, als den Gebildeteren und besser Unterrichteten deutlich den Vorzug gab.

Seine so vermehrten Kriegsgefährten bekamen nach dem Muster anderer Staaten eine bessere und gleichförmige Kleidung und erlernten gleichzeitig den militärischen Gehorsam, in dem ihnen der junge Zar selbst mit strengstem Beispiel voranging.

Semjonowskoje
Semjonowskoje

Der Zulauf war so groß, dass Preobrashenskoje nicht alle aufnehmen konnte. So wurde ein Teil der jungen Leute 1687 in das nahegelege Dorf Semjonowskoje verlegt. Es entstanden 2 Kompanien, die von diesen Dörfern den Namen erhielten und später in 2 Garderegimenter verwandelt wurden.

 

Peter war voll Wissbegier und was er war und wurde, ist er größtenteils durch sich selbst geworden. Er wollte sich außer Mathematik, Kriegsdienst und Kriegswissenschaft auch andere Kenntnisse aneignen, Kenntnisse die er in Russland noch gänzlich vermisste.

Deutschland und Holland hielt er für die gebildetsten Länder und so wollte er deren Sprache erlernen. Das erklärt seine Liebe für Ausländer, denen er auch seine Aufklärung, Bildung und viele seiner edleren Bestrebungen verdankte.

 

Franz Lefort
Franz Lefort

Unter jenen Ausländern ist besonders einer, François Lefort (Franz), ein Genfer, erwähnenswert, den Peter anlässlich seiner Beförderung zum Oberstleutnant 1683 zum ersten Mal begegnete.

Lefort lebte wie alle Ausländer in der am Fluss Jausa gelegenen Deutschen Vorstadt. Am 3. September 1690 besuchte Peter Lefort erstmalig in dessen Haus. Der Zar kam immer häufiger zum Essen und blieb schließlich auch über Nacht. Das mag auf den ersten Blick unspektakulär scheinen.

 

Peter fand großen Gefallen an Leforts aufgewecktem Wesen und gewöhnte sich sehr bald an ihn, zumal derselbe sich dem wilden Treiben Peters und seiner Umgebung keineswegs entzog, vielmehr lebhaft daran teil nahm oder gar voranging.

Peter in der Deutschen Vorstadt
Peter in der Deutschen Vorstadt

Zar Peter hasste wie erwähnt das mittelalterlich-byzantinische Moskauer Hofprotokoll und nutzte Leforts Haus in der Deutschen Vorstadt, um den Zwängen im Kreml4 zu entfliehen. Man kann wohl sagen, dass Leforts Haus für eine bestimmte Zeit in den 1690er Jahren zu einer Art „Ersatzzarenhof" wurde. Dazu wurde es auf Kosten des Staates prächtig ausgebaut.

Dass ein Moskowiter Zar in der Ausländersiedlung aber ein- und ausging, bedeutete unter den damaligen Gegebenheiten einen eklatanten Bruch mit der Tradition. Peter war 18 Jahre alt und Lefort Mitte 30, als sie sich näher kennen lernten. Der junge Zar hatte eben erst die Herrschaft übernommen, war aber auf seine Aufgabe in keinerlei Weise vorbereitet.

Apollinari Wasnezow: Der Iwanplatz des Kremls im 17. Jahrhundert
Apollinari Wasnezow:
Der Iwanplatz des Kremls im 17. Jahrhundert

Andererseits hatte er durch die Ereignisse in seiner Kindheit eine ausgesprochene Abneigung gegen die traditionelle russische Lebensweise und das höfische Zeremoniell im Kreml entwickelt.

Lefort, der von fremden Ländern, ihren Merkwürdigkeiten und der hohen Stufe ihrer Kultur erzählte, erregte in dem jungen Zar eine brennende Wissbegier, die mit dem Wunsch, Russland auf ein ähnliches Niveau zu bringen, vereinigt wurde. Peter erlernte von dem jungen Mann die deutsche und holländische Sprache und konnte sich nicht mehr von ihm trennen. Der Genfer blieb bis zu seinem Tod am 2. März 1699 die engste Vertrauensperson des jungen Zaren.

lineAnmerkungen

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1 Franz Timmermann = über die Herkunft Timmermanns gehen die Nachrichten auseinander. Einige lassen ihn aus Strassburg andere aus Holland abstammen. Zum Oberst befördert, verbrannte er 1691 bei einem Feuerwerk in Moskau.

2Nemezkaja sloboda = in der deutschen Vorstadt lebten Angehörige der verschiedensten Nationen. Nmezkij kommt von nemoj (stumm); so nannte man alle, die nicht des Russischen mächtig waren, später wurde es vor allem auf Deutsche bezogen. Diese Ausländer genossen russisches Bürgerrecht und unterstanden den allgemeinen Gesetzen, hatten aber einige Sonderrechte, z. B. hinsichtlich der Selbstverwaltung und der Glaubensausübung. Letzteres blieb ihnen auch später erhalten. Im 19. Jahrhundert entstand hier ein Viertel reicher Kaufleute und Fabrikanten.

3 Strelitzen = Bezeichnung für die von Zar Iwan dem Schrecklichen um 1550 eingeführte Palastgarde. Sie waren für ihre gute Ausbildung und ihre Loyalität gegenüber dem Zaren bekannt. Die Strelitzen bildeten den Kern der russischen Heere, waren aber ohne Kriegskunst und Mannszucht und wegen des Starrsinns, womit sie an ihren alten Einrichtungen und Privilegien festhielten, leicht zu Empörungen geneigt und für die Ruhe des Reichs gefährlich. Die Strelitzen erhielten nur geringen Sold, waren dafür aber mit Handels- und Gewerbeprivilegien ausgestattet; ihr Dienstverhältnis war lebenslänglich und erblich.

4 Kreml = (wörtlich übersetzt "befestigte Stadt") meist auf einer Anhöhe gelegener befestigter Kern russischer Städte im Mittelalter, Sitz der weltlichen und geistlichen Verwaltung. In vielen Städten (z. B. Kasan, Astrachan, Kolomna, Pskow) sind Befestigungsanlagen und Kirchen aus dem 16. und 17. Jahrhundert noch erhalten; am bedeutendsten ist der Kreml in Moskau, Regierungssitz und oft synonym dafür gebraucht.

Die ummauerte Festung wurde zur Zeit der Gründung von Moskau im Jahr 1147 oberhalb der Flüsse Neglina und Moskwa errichtet. Die Mauern und Türme aus weißem Stein wurden zwischen 1367 und 1368 unter der Regentschaft des Fürsten von Moskau und Großfürsten von Wladimir, Dmitri Donskoi (1350-1389), hinzugefügt. Das Gebäude wurde zwischen 1485 und 1495 einem totalen Umbau unterzogen und erhielt sein heutiges Erscheinungsbild. Von 1276 bis 1712 war der Kreml Residenz der Großfürsten und Zaren von Rußland und ab 1917 das Machtzentrum der kommunistischen Regierung. Der Moskauer Kreml gilt als eines der Markenzeichen Russlands und ist ein in der Welt absolut einzigartiger Komplex.
Der Kreml ist der Kern Moskaus und eine gewaltige Festung mit einer 5 bis 16 m hohen und 3,5 bis 6,5 m dicken und insgesamt 2235 m langen Mauer, 20 Türmen und einer Gesamtfläche von 27,5 Hektar. Der Kreml ist eine der größten vollkommen erhaltenen Festungen der Welt. Es ist ein Museum und gleichzeitig die offizielle Residenz des Präsidenten der Russischen Föderation. Die erste Siedlung entstand hier im 12. Jahrhundert. Seitdem war der Kreml mehrmals umgebaut worden. Die heutigen Türme und Mauern sind zwischen 1485 und 1499 gebaut und später von italienischen Architekten verschönert worden. Im Inneren des Kremls befinden sich mehrere Paläste und Kathedralen aus dem 14. bis 19. Jahrhundert. Jahrhunderte lang waren Sie Symbole der russischen Macht.