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François Lefort

(Teil 5 von 5)

François Lefort war dem jungen Zaren Peter persönlich wohl anlässlich seiner Beförderung zum Oberstleutnant 1683 zum ersten Mal begegnet, zu seinem Vertrauten und Freund wurde er aber erst zu Beginn der neunziger Jahre.

Peter I. in der Deutschen Vorstadt
Peter I. in der Deutschen Vorstadt

Peter I. besuchte Lefort das erste Mal in dessen Haus am 3. September 1690 . Der Zar kam immer häufiger zum Essen und blieb schliesslich auch über Nacht. Das scheint auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu sein, dass aber ein Moskowiter Zar in der Ausländersiedlung ein- und ausging, bedeutete unter den damaligen Gegebenheiten einen Aufsehen erregenden Bruch mit der Tradition.

Im Herbst des Jahres 1690 entstand so zwischen dem Zaren und François Lefort eine per-sönliche Beziehung, die rational nur schwer fassbar ist. Peter war 18 Jahre alt und Lefort Mitte 30, als sie sich näher kennen lernten. Der junge Zar hatte eben erst die Herrschaft übernommen, war aber auf seine Aufgabe in kei-nerlei Weise vorbereitet. Andererseits hatte er durch die Ereignisse in seiner Kindheit eine ausgesprochene Abneigung gegen die traditionelle russische Lebensweise und das höfische Zeremoniell im Kreml entwickelt.

 

Franz Lefort
Franz Lefort

Le Fort hatte den gebildetsten Teil Europas gesehen und flüchtig manche gute Kenntnisse erworben. Die deutsche und holländische Sprache, die Zar Peter erlernen wollte, waren ihm geläufig und was er wusste, verstand er geltend zu machen.

Er war es, der den Zaren auf viele Missbräuche, mangelhafte Einrichtungen und die Barbarei, in der sein Volk litt, aufmerksam machte; er erweckte in ihm den Gedanken, dieses Volk zu bilden und zu "veredeln".

So gewann er Peters Gunst und durch seine Geschicklichkeit, sein sym-pathisches Wesen, seine Kenntnisse und seine Lebenslustigkeit fesselte er den jungen Zaren bald so an sich, dass er dessen unzertrennlicher Begleiter, Lehrer und Freund, aber auch Verführer in unerlaubten Ausschweifungen wurde.

Offizier des Semjonowski-Regiments
Offizier des Semjonowski-Regiments

Obwohl er kein ausgebildeter Krieger war, wurde er der erste Hauptmann der Preobraschenski-Kompanie.

Er trat in Kriegsdienste, stieg von Stufe zu Stufe und bald war er für Peter unentbehrlich.

 

Am 10. Dezember 1693 wurde Lefort von Peter in den Adels- und Freiherrnstand erhoben.

1694 wurde er Großadmiral und Obergeneral des 12.000 Mann starken russischen Heeres, das fast nur aus Fremden, vornehmlich aus Franzosen bestand, die nach der Zurück-nahme des Toleranzedikts von Nantes1 im Oktober 1685 ihr Vaterland verlassen hatten.

 

Die große Gesandtschaft in den Niederlanden
Die große Gesandtschaft in den Niederlanden

1697 stand Lefort an der Spitze der russischen Gro-ßen Gesandtschaft Peters des Goßen, in deren Gefolge der Zar inkognito das Ausland besuchte.

 

Während seines Aufenthalts in Holland war Lefort dafür besorgt, Techniker, Handwerker und Offiziere für den Dienst in Russland anzuwerben und diese nach Archangelsk befördern zu lassen. Er organisierte damit einen eigentlichen Technologieschub und Wissenstransfer von Westeuropa nach Russland.

 

Im Herbst 1698 erfolgte dann die Rückreise über Wien nach Moskau. Nach Leforts Rückkehr in die Deutsche Sloboda2 (Nemezkaja Sloboda) im September 1698 befand er sich auf dem Höhepunkt seines Lebens. Er war Inhaber der höchsten militärischen und zivilen Ämter und genoss die ungetrübte Gunst des Zaren. Aber der rastlose Aktivismus an Peters Seite begann, seinen Tribut zu fordern.

 

Lefort hatte während den ganzen 1690er Jahren immer wieder an Fieberzuständen gelitten und eine schlecht heilende Verletzung nach einem Sturz vom Pferd machte ihm zu schaffen.

Nun, nach der Rückkehr, verschlechterte sich sein Zustand erneut. Er zog sich eine Grippe zu, von der er sich nicht mehr erholte und starb am 2. März 1699 im Alter von nur 43 Jahren als General, Admiral, Statthalter von Nowgorod und Präsident aller Räte.

Wwedenskoje-Friedhof
Wwedenskoje-Friedhof

Er wurde in Lefortowo im Wwedenskoje-Friedhof, dem " deutschen Friedhof“ be-graben. Am 21. März gab der trauernde Zar seinem Freund ein fürstliches Begräbnis.

Leforts umfangreicher Be-sitz in der Deutschen Vor-stadt erhielt bald den Namen Lefortowskaja Sloboda und wurde später unter der Bezeichnung Lefortowo zu einem Stadtteil Moskaus.

 

Lefortowo in Moskau
Lefortowo in Moskau

Noch heute erinnert der Moskauer Stadtteil Lefor-towo an diesen Schweizer, der die militärischen Re-formideen des jungen Zaren ausschlaggebend mitformte und damit am Anfang einer Entwicklung stand, die Russ-land von einem rück-ständigen halborientalischen Staatsgebilde zum Rang einer europäischen Gross-macht führte.

 

 

 

 

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Anmerkungen

1 Edikt von Nantes = amtlicher Erlass, der am 13. April 1598 in Nantes vom französischen König Heinrich IV. unterzeichnet wurde und der den calvinistischen Protestanten (Hugenotten) im katholischen Frankreich freie Religionsausübung und politische Sonderrechte garantierte. Zuvor hatten die Calvinisten oder Reformierten eine mehr als 60 Jahre dauernde Verfolgung im gesamten Land zu erleiden gehabt, die immer wieder zu Bürgerkriegen, den sog. Hugenottenkriegen, geführt hatte. Zehntausende Protestanten waren in diesen Jahrzehnten ums Leben gekommen oder hatten Frankreich verlassen.
Als die Hugenotten sich in den Kriegen von 1621/22 und 1625-29 erneut der Krone entgegenstellten, verloren sie durch den Kardinal Richelieu alle politischen Sonderrechte und Sicherheitsplätze, wurden allerdings religiös weiter geduldet.
De facto beendet wurde diese Duldung mit der offiziellen Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. (Edikt von Fontainebleau, 1685), das die Freiheit der Religionsausübung so stark beschränkte, dass sich mehr als 200.000 Hugenotten gezwungen sahen, Frankreich zu verlassen.

2 Nemezkaja Sloboda = deutsche Vorstadt; obwohl dort Angehörige der verschiedensten Nationen lebten. Nmezkij kommt von nemoj (stumm); so nannte man alle, die nicht des Russischen mächtig waren, später wurde es vor allem auf Deutsche bezogen. Diese Ausländer genossen russisches Bürgerrecht und unterstanden den allgemeinen Gesetzen, hatten aber einige Sonderrechte, z. B. hinsichtlich der Selbstverwaltung und der Glaubensausübung. Letzteres blieb ihnen auch später erhalten. Im 19. Jahrhundert entstand hier ein Viertel reicher Kaufleute und Fabrikanten.