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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert

Die kleine Gesandtschaft Peters des Großen

Sturm auf Asow
Sturm auf Asow

Mit dem geglückten Feldzug gegen Asow im Jahr 1696 hatte sich bei Peter aus dem Kriegsspiel seiner Kindheit erstmalig der Kriegsernst herausgebildet.

Peter handelte nun zum ersten Mal mit weitreichenden Folgen im Namen des Volkes, sah aber auch ein, dass es vor allem Ausländer waren, auf deren Arbeit der Sieg zu Land und zu Wasser zurückzuführen war.

Diese Ausländer hatten seine Schiffe gebaut und fremde Artilleristen und Ingenieure hatten ihn in den Besitz von Asow gebracht.

Viele der obersten Militär und Zivilstellen wurden von Ausländern begleitet, fremde Künstler, Bauleute und Handwerker hatten seine Hauptstadt verschönert und Lebensgenusse und Bequemlichkeiten aller Art in derselben eingeführt und verbreitet.

 

Preobraschenskoje
Preobraschenskoje zur Zeit Peters des Große

Am 20. Oktober 1696 fand in Preobrashenskoje, unter dem Vorsitz Peters, eine Sitzung der Bojaren statt, wo beschlossen wurde, in Asow 3.000 Familien anzusiedeln.

Außerdem wurde der sofortige Bau einer neuen Flotte von 40 Galeeren beschlossen, da die Russen ja nun von der "Glücksgöttin" begleitet waren. Jetzt musste aber das Problem der Finanzierung gelöst werden.

Am 4. November trat der Rat erneut zusammen, bei dem nun auch Ausländer anwesend waren. Auf der Grundlage statistischer Erhebungen wurde bestimmt, dass jedes Schiff, inklusiv Bewaffnung, 10.000 Rubel kosten sollte.

Galeeren zur Zeit Peters des Großen
Galeeren zur Zeit Peters des Großen

Alle Kaufleute und Handwerker des Reiches sollten für die Ausgaben von 12 , die geistlichen Grundbesitzer von 17 und die weltlichen Eigentümer von 18 Schiffen sorgen.

Die Vorhersage der Auslagen für dieses Programm beliefen sich auf eine halbe Million Rubel, eine sehr hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass in diesem Zeitraum das Gesamtbudget des Reiches nicht mehr als zwei Millionen Rubel betrug.

Peter beunruigte sich also keinesfalls der plötzlich stark ansteigenden steuerlichen Belastung für seine Untertanen, wenn damit ein politischer Fortschritt erreicht werden konnte. Sicher ist, dass er die Steuern noch mehr erhöhen wollte, denn er dachte auch an die Eröffnung des Wolga-Don-Kanals.

 

Die kleine Gesandtschaft

Schiffsbau

Um dieses Projekt verwirklichen zu können, brauchte man eine große Anzahl von qualifizierten Spezialisten. Dazu genügten die angeworbenen Ausländer nicht. So beschloss Peter, junge Russen nach Westeuropa zu schicken, um seine eigenen Untertanen genauso geschickt zu machen wie die Ausländer selbst.

Im Januar 1697 wurde so eine kleine Gesandtschaft von 50 Höflingen nach Italien, vor allem nach Venedig, England, Holland und Deutschland geschickt.

Schiffbau
Schiffbau

In Venedig sollten sie sich auf den Schiffbau, besonders auf den der Galeeren und auf die Architektur konzentrieren, in Holland sollten sie die dortigen Werften, Arsenale und den Bau größerer Kriegsfahrzeuge kennen lernen und in Deutschland Kriegswissenschaft und militärische Disziplin erlernen.

am westeuropäischen Hof im 17. Jahrhundert
am westeuropäischen Hof im 17. Jahrhundert

Die Pflicht in "ketzerische" Länder zu reisen wurde von den meisten als sehr erdrückend, sogar als Bedrohung für die Gesundheit der Seele empfunden.

Bis zu diesem Zeitpunkt war es den Russen streng verboten gewesen ins Ausland zu reisen und die, die Russland trotzdem verließen galten als Abtrünnige und Verräter des Vaterlandes.

Der Befehl Peters ins Ausland zu reisen, unter den "Ungläubigen" zu leben und zu arbeiten, bedeutete eine abrupte Verletzung der geweihten Traditionen.

russische Bekleidung um 1674
russische Bekleidung um 1674

Einer dieser unfreiwilligen Studenten, nachdem er in Venedig angekommen war, weigerte sich hartnäckig, sein Zimmer zu verlassen, weil er sich nicht dem geringsten Kontakt mit Angehörigen der katholischen1 Konfession aussetzen wollte.

Andere wiederum beklagten sich, dass sie nicht in der Lage seien, die einzelnen Wissenschaften der Westeuropäer zu erlernen und fühlten sich durch die Strapazen der Seefahrt auch körperlich überlastet.

Der Zar aber hörte nicht auf diese Klagen, sondern mit rücksichtsloser Strenge verlangte er den absoluten Gehorsam. Keiner von ihnen durfte es wagen ohne zufriedenstellende Zeugnisse nach Russland zurückzukehren.

 

Zar Peter I.
Zar Peter I.

Diese hochrangige Delegation reiste auf eigene Kosten ins Ausland, die meisten von ihnen ohne große Begeisterung, mehr aus Furcht vor der Maßregelung durch den Herrscher, die im Weigerungsfall drohte: Beschlagnahme des Vermögens.

 

Viele widmeten sich dann auch den übertragenen Arbeiten, um beim Zar nicht in Ungnade zu fallen und auf einen schnellen Aufstieg in den Dienst des Staates zu hoffen.

 

Da die ersten Versuche erfolgreich verlaufen waren, wurden immer mehr junge Russen auf diese Studienreisen geschickt. Im Laufe des Jahres stieg die Zahl der jungen Russen, die ins Ausland geschickt geschickt wurden auf fast 100.

Bekleidungsmode im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts
Bekleidungsmode
im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts

Einige dieser Studenten heirateten im Ausland. Es ist klar, dass sie nicht nur technische Kenntnisse erwarben, sondern auch den starken Einfluss Westeuropas mit seiner Vorstellung von der Welt, seiner Lebensweise und seinen kulturellen Bedürfnisse fühlten.

Wenn diese Studenten dann heimkehrten, verbreiteten sie die erhaltenen Eindrücke unter ihren Verwandten und Freunden. Es kam aber auch oft vor, dass sie im Moskauer Milieu bald die neuen verfeinerten im Ausland erworbenen Sitten wieder ablegten.

 

Aber noch war es für den Zaren nicht ausreichend genug. Um sein Land allmählich der Bildung des Auslandes zugänglicher zu machen, wollte er sich in eigener Person von dem Zustand und der Kultur fremder Länder überzeugen und nicht den Berichten anderer glauben, sondern mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören, selbst Hand anlegen und lernen.

Franz Lefort
Franz Lefort

So reifte in ihm der schon früher aufgenommene, besonders durch Anraten Leforts unterstützte Plan, sich selbst in fremde Länder zu begeben, die kultiviertesten und mächtigsten zu bereisen und mit Erfahrungen und Kenntnissen aller Art bereichert, fremde Einrichtungen, Künste und Wissenschaften in sein Reich zu verpflanzen. Deutschland, Holland, England und Italien schienen ihm dafür am geeignetsten.

Alles wurde zu diesem Vorhaben vorbereitet; eine zahlreiche Gesandtschaft, bei der sich Peter inkognito oder zumindest in untergeordneter Stellung befinden wollte, sollte sich an die fremden Höfe begeben, wobei Peter die Absicht hatte die Sitten und Gebräuche der zu bereisenden Länder ohne Hofzeremoniell kennen zu lernen.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt war es in Russland undenkbar gewesen, dass ein Zar mit einer Truppe ins Ausland ging. Ein Zar durfte nach den Vorstellungen des 17. Jahhunderts sein Land nur in äußersten Ausnahmesituationen verlassen und sollte ansonsten Gesandte in Moskau empfangen.

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Peter der Große in Zaandam
Peter der Große in Zaandam

Am 6. Dezember 1996 teilte Zar Peter I. dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten (Posolskij Prikaz) mit, dass er die Absicht hätte eine Gesandtschaft ins westliche Europa zu schicken. Aber bevor Peter I. diesen Plan verwirklichen konnte, musste er eine Verschwörungen gegen ihn selbst niederschlagen.

lineAnmerkungen

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1 Die Abneigung und der Hass der Russen gegen die Katholiken ging auf die Zeit der Wirren und der polnischen Intervention zurück.
Unter dem Einfluss der griechisch-orthodoxen Kirche betrachteten die Russen allmählich alles, was aus Westeuropa kam, als ketzerisch und lehnten es daher kategorisch ab. Sogar die schlichte Nachahmung des westlichen Lebensstils, in Kleidung oder in der Einrichtung der Häuser wurde als Loslösung vom wahren Glauben angesehen. Jeder Kontakt mit dem spirituellen Leben des Westens war daher strengstens verboten. Die enge Beziehung zu Byzanz hatte das russische Volk nach und nach mit antieuropäischen Vorurteilen "geimpft". Die lange Abneigung gegen die "lateinische Welt" (römisch-katholisch) beseitigte vom russischen Entwicklungsprozess die literarischen und philosophischen Strömungen des Westens.
Mit dem griechisch-orthodoxen Ritus nahmen die Russen von Byzanz natürlich auch die Grundformen der Architektur, der Malerei und der Mosaikkunst an. Die westliche Gotik hatte in Russland keine Spuren hinterlassen. Da jede Abweichung von den Mustern Konstantinopels als Beleidigung der Orthodoxie ausgelegt werden und den Verdacht der Ketzerei und der Gotteslästerung wecken konnte, hielten sich die russischen Künstler im Allgemeinen an die Nachahmung der byzantinischen Meister, ohne es zu wagen diese starre Tradition zu brechen und ihre eigene schöpferische Kraft auszubreiten.  
Durch das Verwenden des Kirchenslawisch im Dienste Gottes mussten die Geistlichen kein Latein und Griechisch erlernen, was unmöglich machte, Russland an der geistigen Bildung zu beteiligen, das wiederum zu einem engstirnigen geistigen Horizont führte.In diesem Zusammenhang ist auch wichtig zu erwähnen, dass in der russischen Schrift nicht das lateinische Alphabet eingeführt wurde, sondern das kyrillische.