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François Lefort

(Teil 4 von 5)

In Moskau hielt François Lefort sich, nach dem Gesetz für alle Ausländer des Abendlandes1, in der sogenannten Deutschen Sloboda2 (Nemezkaja Sloboda) auf, wo er in den Kreisen dieser Ausländer ein gewisses Ansehen erwerben sollte.

Nemezkaja Sloboda
Nemezkaja Sloboda

 

Deutsche Vorstadt
Deutsche Vorstadt

Als François Lefort dort 1676 ankam, befand sich die mit einer Holzmauer umgebene Siedlung mit etwa 1.500 Einwohnern auf dem Höhepunkt ihres Bestehens.

In seinem ersten Brief nach Genf gab er eine detaillierte Be-schreibung seines neuen Wirkungsortes.

In der Deutschen Vorstadt lebten vor allem Deutsche, Engländer und Schotten, meist Lutheraner oder Calvinisten, deren Umgangs-sprache Deutsch war. Die Mehrzahl der Ausländer ging einer militärischen Tätigkeit nach. Daneben gab es aber auch Ärzte, Apotheker, Kaufleute und eine ganze Anzahl Handwerker, Menschen mit Kenntnissen und Fähigkeiten, wie sie in Russland nicht vorhanden waren.

russische Bojaren im 17. Jahrhundert
russische Bojaren im 17. Jahrhundert

Trotz der Anordnung der Behörden, die Tore nachts geschlossen zu halten, wurde die Deutsche Vorstadt, das „Fenster in die weite, interessante Welt im Westen", zu einem attraktiven Anzie-hungspunkt für aufgeschlossene moskowitische Adlige, die hier die ersten Eindrücke der westeuropäischen Kultur ver-mittelt bekamen. Für die nächsten mehr als 20 Jahre bis zu Leforts Tod (1699) wurde die Deutsche Vorstadt für ihn zum Drehpunkt seines Lebens.

 

Als Lefort diesen Sammelplatz aller Ausländer zum ersten Mal betrat, führte ihn sein Weg zum einzigen Italiener Francesco Guasconi (*1640, †~1708 in Moskau), der seit 1666 in Moskau lebte und den er in Archangelsk kennen gelernt hatte.

Patrick Gordon
Patrick Gordon

Der vermögende adlige römisch-katholische Guasconi, Kaufmann aus Florenz, nahm Lefort freundlich auf und es ist wohl anzunehmen, dass er bemüht war seinen jungen Freund mit Männern bekannt zu machen, die ihm Ratschläge geben und Hilfe leisten konnten.

Guasconi hatte eine enge Beziehung mit zwei der damals angesehensten und ver-dienstvollsten Männern im Dienst des Zaren, die Obersten Paul Meneses und Patrick Gordon3 aus Schottland.

 

Gordon führte den Genfer, der zunächst völlig auf sich allein gestellt und praktisch mittellos sich in einer völlig fremden Umgebung durchschlagen musste, in die gehobene Gesellschaft der Deutschen Vorstadt ein und brachte ihn in Kontakt mit aufgeschlossenen russischen Adligen, was für Leforts weiteren Aufstieg entscheidend war.

Kreml von Moskau
Kreml von Moskau Ende des 17. Jahrhunderts

Er wurde zuerst Sekretär des dänischen und dann des englischen Residenten. Leforts Auf-gaben bestanden darin die Briefe des Resi-denten an den Hof des Zaren zu bringen und die Geldangelegenheiten des Diplomaten zu verwalten. Wie Lefort in einem Brief vom 5. September 1676 berichtet, wohnte und speiste er beim Residenten und hatte ein Pferd und einen Diener von ihm erhalten.

 

Franz Lefort
Franz Lefort

Zeitweise trug er sich aber auch mit dem Gedanken, Russland in Richtung Kopen-hagen oder London wieder zu verlassen, denn die Aussicht auf eine Offiziersstelle hatte sich zerschlagen.

 

Nun machte Lefort auch Bekanntschaften in den Russischen Familien und erlernte die Russische Sprache. Durch seine Heirat im Jahr 1678 mit der aus Metz in Lothringen stammenden katholischen Elisabeth Souhay, einzige Tochter der wohlhabenden Witwe des Obersten François Souhay und Nichte des Generals Patrick Gordon, verbesserte sich bald sein Einkommen und erweiterten sich seine Verbindungen.

 

Gordon liess Lefort in seinem Haus wohnen und verschaffte ihm 1678 eine Stelle als Hauptmann im russischen Heer. Die nächsten zweieinhalb Jahre verbrachte er unter Gordons Kommando in der Gegend von Kiew in der Ukraine mit der Verteidigung des Grenzlandes gegen osmanische und tatarische Truppen.

Tatarenüberfall
Tatarenüberfall

Immer wieder kam es dort zu Tatareneinfällen, verbunden mit der Verwüstung ganzer Ortschaften und zur Verschleppung von Tausenden von Russen und Russinnen auf die Sklavenmärkte des Osmanischen Reiches.

Tatarenüberfall Tatarenüberfall
Tatarenüberfall

 

Die militärischen Anstrengungen Russlands waren in diesen Jahren hauptsächlich darauf ausgerichtet, diese offene Südgrenze besser zu sichern.

 

Die 1680er Jahre sahen den von Gordon geförderten beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg Leforts, der unter den Ausländern der Deutschen Vorstadt in der Zwischenzeit ein etablierter Mann geworden war.

Leforts Haus in der Deutschen Sloboda
Leforts Haus in der Deutschen Sloboda

Ende 1684 hatte er sich ein Haus bauen lassen, das er mit seiner Frau Elisabeth Souhay und seinem einzigen überlebenden Kind, Henri, bewohnte. Er veranstaltete häufig Feste und Bälle, an denen auch russische Adlige teilnahmen. Das Aufbauen und die Pflege von Beziehungen zu einflussreichen Leuten war etwas, was Lefort sehr gut beherrschte.

 

Einige Jahre später, 1687, finden wir Lefort als Bataillonskommandant auf einem Feldzug gegen die Krimtataren unter dem Befehl des Fürsten Golizyn, des damals mächtigsten Mannes in Moskau; wir würden ihn heute als eine Art Premierminister bezeichnen. Die Kampagne wurde aber zu einem Fiasko.

 

Das Jahr 1690 sollte den entscheidenden Umbruch in Leforts Leben sein. Im Herbst entstand zwischen dem Zaren Peter I. und François Lefort eine persönliche Beziehung, die rational nur schwer fassbar ist. Peter war 18 Jahre alt und Lefort Mitte 30, als sie sich näher kennen lernten.

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Anmerkungen

1 Als Abendland (auch: Christliches Abendland oder Okzident) wurde ursprünglich der westliche Teil Europas bezeichnet, besonders Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Italien und die Iberische Halbinsel.

2 Nemezkaja Sloboda = deutsche Vorstadt; obwohl dort Angehörige der verschiedensten Nationen lebten. Nmezkij kommt von nemoj (stumm); so nannte man alle, die nicht des Russischen mächtig waren, später wurde es vor allem auf Deutsche bezogen. Diese Ausländer genossen russisches Bürgerrecht und unterstanden den allgemeinen Gesetzen, hatten aber einige Sonderrechte, z. B. hinsichtlich der Selbstverwaltung und der Glaubensausübung. Letzteres blieb ihnen auch später erhalten, während alle anderenIm 19. Jahrhundert entstand hier ein Viertel reicher Kaufleute und Fabrikanten.

3 Patrick Gordon war ein schottischer General der russischen Armee.Patrick wurde am 31. März 1635 als jüngster Sohn der katholischen Familie Gordon of Auchleuchries geboren. Aus religiösen Gründen weigerte er sich eine Universität in Schottland zu besuchen und verließ 1651 seine schottische Heimat. Über Danzig, Kulm, Posen und Hamburg tritt er 1661 in den Dienst des russischen Zaren Alexei I. Zusammen mit anderen Landsleuten und weiteren Westeuropäern sollte Patrick Gordon die russischen Truppen ausbilden. Doch findet er sich mit der komplizierten Situation am zaristischen Hof nicht zurecht und entschließt sich gegen Ende des Jahres 1661 Russland wieder zu verlassen, was ihm aber nicht erlaubt wurde. Er zeichnete sich in den Feldzügen gegen die Türken aus, war längere Zeit Kommandant von Kiew, wurde 1687 General und gewann seit 1689 hohen Einfluss auf Peter den Großen, dessen Heere er mit François Lefort auf europäische Art ausbildete. Im Türkenkrieg 1696 leitete er als kommandierender General die Operationen und eroberte die Festung Asow. Während Peters erster Auslandsreise war er Gouverneur von Moskau und unterdrückte den Aufstand der Strelitzen. Zum Ende seines Lebens war Gordon schwer krank und wurde immer wieder von Zar Peter besucht. Dieser soll während er starb (†29. November 1699) seine Hand gehalten und ihm die Augen geschlossen haben.