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Das russische Zarenreich im 18. Jahrhundert

Die Gründung von St. Petersburg

Gemäß der Legende kam Zar Peter am 16. Mai 1703 (nach dem alten, 27. Mai 1703 nach dem neuen Kalender) auf der als "Haseninsel" bekannten Flussinsel im sumpfigen Newa-Delta an und plante für sein Volk eine neue Hauptstadt, ein Fenster zum Westen, zu bauen.

„Hier werde ich eine Stadt bauen", so überliefert die Legende das Wort des Zaren aus dem Jahr 1703.

Nicholas Florianovich Dobrowolski: „Hier werde ich eine Stadt bauen"
Nicholas Florianovich Dobrowolski: „Hier werde ich eine Stadt bauen"

 

Peter-und-Paul-Festung
Peter-und-Paul-Festung
in Form eines unregelmäßigen Sechsecks

Noch während des Großen Nordischen Krieges1 veranlasste Peter dort den Bau einer Festung.

Der neugewonnene Zugang zur Ostsee und die am Reißbrett geplante Stadt, mussten vor Überfällen anderer Mächte geschützt werden.

Ursprünglich sollte sie den Namen St. Petersburg, Burg des heiligen Petrus, tragen. Ihren heutigen Namen, Peter-und-Paul-Festung, verdankt sie der Kathedrale, mit deren Bau einige Wochen später, am 12. Juli, dem Tag der Apostel Paulus und Petrus, begonnen wurde. Sie sollte die Mündung der Newa gegen die Schweden schützen. Im Schutz der Festung entwickelte sich dann später ein Hafenplatz und ab 1706 die Stadt Sankt Petersburg.

 

Der Bau der Festung ging schnell voran. Aus dem ganzen Land wurden die Leibeigen nach St. Petersburg geschafft, um auf Befehl des Zaren, die Pläne Wirklichkeit werden zu lassen.

Im Herbst 1703 waren mehr als 20.000 Leibeigene bei den Schachtarbeiten beschäftigt. Nach einem Jahr standen die mit Kanonen bestückten errichteten Erdwälle und hölzernen Palisaden, die wenige Jahre später durch Steinmauern ersetzt wurden.

 

die Festung Nyenschanz, wo sich das Flüsschen Ochta mit der Newa vereint
die Festung Nyenschanz,
wo das Flüsschen Ochta in die Newa fließt

Der Entschluss Peters des Großen, seine neue Stadt in das sumpfige Mündungsdelta der Newa zu bauen, bedeutete eine große Herausforderung an die Natur. Viel näher am Meer gelegen als die frischeroberten Newa-Befestigungen der Schweden (Nyenschantz), waren die ersten Holzbauten nahezu schutzlos den Überschwemmungen und dem Eisgang ausgesetzt.

Während der anfänglichen Phasen des Aufbaus starben mehr als 100.000 Menschen durch Fieber, Seuchen, Erschöpfung und Kälte. Viele versanken in den Sümpfen.

Dass Peter der Große trotz dieser widrigen Gegebenheiten diesen Ort für seine neue Hauptstadt auswählte, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass hier vorzüglich ein Seehafen angelegt werden konnte und zudem der Anschluss an das binnenrussische Flusssystem gegeben war. Außerdem war die Nähe zu Westeuropa ausschlaggebend, ging es Peter dem Großen doch darum, Russland zu modernisieren.

 

Nun hatte der Zar seine Festung, und was kann man Besseres daraus machen, als ein Gefängnis. Einer der ersten Gefangenen, die hier eingesperrt wurden, war Zar Peters Sohn Alexander.

Schon kurz nach Fertigstellung diente die Festung, die nie militärisch zum Einsatz kam, als Gefängnis für Gegner des Zarenregimes. Der erste "Bewohner" des Zarengefängnisses war der Zar Peters Sohn Alexander.

 

Im Februar 1704 folgte der aus dem Tessin gebürtige Schweizer Architekt und Städtebauer Domenico Trezzini dem Ruf des Zaren. Mit seiner Hilfe und Hunderten von Todesopfern der eingesetzten Zwangsarbeiter entstand in Russland das "Venedig des Nordens" (die Stadt erstreckt sich über 100 (44) Inseln), ein Paradies künstlerischer Vollkommenheit und Schönheit.

Alexej Gawrilowitsch Wenezianow: Peter der Große plant St.Petersburg
Alexej Gawrilowitsch Wenezianow: Peter der Große plant St.Petersburg

 

Zu Ehren des Wächters der Tore des Himmels erhielt die Stadt den Namen St. Petersburg und zählt heute mit seinen grandiosen Palästen, herrlichen Parks, eleganten Kanälen und bedeutenden Plätzen zu einer der schönsten Städte Europas. Am berühmtesten ist der Winterpalast, ein prunkvoller Barockbau, der 1762 fertig gestellt wurde.

Makhayev Kachalov: St. Petersburg
Makhayev Kachalov: St. Petersburg an der Newa

 

Jeder Adlige, der mehr als 30 Bauernhöfe besaß, wurde verpflichtet, in St. Petersburg ein Steinhaus zu errichten. Moskau, bis dahin Hauptstadt Russlands, bestand zu jenem Zeitpunkt noch fast vollständig aus Holzhäusern.

1712, noch während des Großen Nordischen Krieges2 zog Peter mit seinem Hofstaat in das neu gegründete Sankt Petersburg um. Dieser Verlegung der Zarenresidenz in den äußersten Nordwesten und fernab von Moskau kam eine zukunftsweisende Bedeutung zu. Sie signalisierte einen bewussten Bruch mit der altmoskowitischen Vergangenheit. Petersburg wurde die neue Hauptstadt. Moskau, bis dahin Hauptstadt Russlands, bestand zu jenem Zeitpunkt noch fast vollständig aus Holzhäusern. Bis 1917 blieb St. Petersburg Hauptstadt und Sitz der Zaren. 

St. Petersburg

 

Petrischule in St. Petersburg
Petrischule in St. Petersburg

1709 entstand in St. Petersburg die erste deutschsprachige Schule in Russland (Petrischule) und 1727 die „St. Petersburgische Zeitung“. 1914 lebten in St. Petersburg 50.000 Deutsche.

 

Neben Moskau (mit 20.000 Deutschen) und St. Petersburg (mit 50.000) gab es rund 50 weitere Städte in Russland mit einer deutschen Bevölkerungszahl zwischen 500 und 5.000. Darunter waren Städte wie Odessa (10.000), Saratow, Charkow, Jekaterinoslaw, Dnepropetrowsk, Shitomir, Baku, Tiflis, Omsk, Tomsk und Irkutsk. Die Zahl der in russischen Städten damals lebenden Deutschen betrug etwa 250.000.

lineAnmerkungen

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1 Der Große Nordische Krieg (1700-21) sicherte Russland trotz anfänglicher Rückschläge (vernichtende Niederlage bei Narwa, 30. 11. 1700) nach dem entscheidenden Sieg über Karl XII. von Schweden in der Schlacht von Poltawa (8. 7. 1709) den Zugang zur Ostsee (Livland, Estland, Ingermanland, Teile Kareliens mit Wyborg und Kexholm [Priosjorsk]). Nach dem Frieden von Nystad (10. 9. 1721) war Russland die überragende Macht an der Ostsee.
Im Krieg gegen das Osmanische Reich hatte der missglückte Pruthfeldzug von 1710/11 zwar die Rückgabe Asows erzwungen, doch brachte der Feldzug gegen Persien (1722/23) Gebietserwerbungen an der West- und Südküste des Kaspischen Meeres (u. a. Rescht und Baku).