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Der Einfluss der Mongolen auf die Kiewer Rus1

Auf den byzantinischen Einfluss folgte der der Mongolen, der Jahrhunderte währte und an Intensität mit demjenigen von Byzanz verglichen werden kann. Aufgrund des ungünstigen Senioratsprinzips2 bei der Regelung der Erbfolge begann die Kiewer Rus im 12. Jahrhundert zu zerfallen, was es den ab 1223 einfallenden später als Tataren bezeichneten Mongolen erleichterte, die zerstrittenen russischen Fürstentümer zu unterwerfen. Es kam zum Bruch mit Westeuropa.

Goldene Horde
Goldene Horde

Abgesehen von den tatarischen Heerscharen, von den plündernden, raubenden und mordenden asiatischen Kriegern, die kamen und wieder verschwanden, nahmen eine lange Zeit hindurch Tataren als Verwalter und Beamte, als Pächter und Kontrolleure, als Statthalter und diplomatische Agenten, als Spione und Polizeidiener ihren dauernden Aufenthalt in Russland.

Mongoleneinfall
Mongoleneinfall

Russland wurde den Mongolen tributpflichtig, musste mongolische Steuer- und Tributeintreiber unterstützen und Truppen stellen. Es gehörte bis 1480, für fast 250 Jahre, zum Teilreich der "Goldenen Horde3".

Ausdehnung des Mongolenstaates (in Orange Vassallenstaaten und abhängige Staaten)
Ausdehnung des Mongolenstaates (in Orange Vassallenstaaten und abhängige Staaten)
Gediminas
Gediminas

 

Es entstand das tatarische Russland, welches die Fürstentümer des Zentrums, Ostens und Südens umfasste und die mongolische Oberhoheit anerkannte.

 

Das litauische Russland bestand aus den Fürstentümern des Westens und Südwestens, die unter der Herrschaft Gediminas ein starkes "Großfürstentum Litauen und Russland" bildeten und sich 1386 infolge mehrerer Unionsakte an Polen angliederte.

 

Das dritte Territorium bestand sozusagen aus dem russisch gebliebenen Russland. Es umfasste die selbständigen Handelsrepubliken Nowgorod und Pskow, welche die vormongolischen Traditionen Altrusslands zu bewahren suchten und an der Fortsetzung der alten Handelsbeziehungen nach Westeuropa interessiert waren.

 

Kiewer Rus um 1015
Kiewer Rus um 1015

Die Invasion der Mongolen kann mit einer akuten, wenn auch langwierigen Krankheit verglichen werden, deren "Heilung" nur gelingen konnte, wenn man aus den lebenspendenden Quellen der westeuropäischen Sitten schöpfte.

Tataren

 

Byzantinische Münze um 430 n. Chr.
Byzantinische Münze um 430 n. Chr.

Das mittelalterliche dahinsiechende Griechenland konnte, wenn sein Einfluss nicht von anderen lebenswichtigeren Strömungen abgelöst wurde, ein unheilvolles, chronisches Siech-tum Russlands herbeiführen.

Es ist nicht leicht, genau und im einzelnen zu bestimmen, wie stark der tatarische Einfluss auf die Bildung des Staates, auf die Entwicklung des Volkscharakters, auf die Sitten und die Lebensanschauung der Russen gewesen sein mag, es ist aber doch unschwer zu erkennen, dass dieser Einfluss ein außergewöhnlicher und nachteiliger hat gewesen sein müssen.

Das Ergebnis war, dass Russland in den ersten Jahrhunderten seines Bestehens durch die Intensität orientalischer Einflüsse, durch die Energie von Byzanz und von Asien abgewandt von Westeuropa blieb. Die Schwenkung nach Westen hin war dann aber eine Bedingung gedeihlicher Entwicklung für das Russische Reich.

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Anmerkungen

1 Kiewer Rus = mittelalterliches Großreich mit Zentrum in Kiew. Es wird als Vorläuferstaat der heutigen Staaten Russland, Ukraine (das Grenzland zur Steppe) und Weißrussland angesehen.

2 Senioratsprintip = Regelung der Thronfolge des Ältesten Angehörigen einer Dynastie und seiner Oberhoheit über die anderen Fürsten derselben Dynastie

3 Goldene Horde = Bezeichnung für mongolische und türkische Krieger, die in Osteuropa einfielen; gleichzeitig der Name eines historisches mongolisches Teilreiches in Osteuropa und Westsibirien, das Batu Khan 1251 an den Ufern der Wolga errichtete. Die Goldene Horde überquerte 1237 den Fluss Ural und stieß bei ihrem von Plünderungen, Morden und Brandstiftungen begleiteten Eroberungszug bis ins Zentrum der russischen Fürstentümer vor. Moskau und Kiew wurden quasi dem Erdboden gleichgemacht und die Bevölkerung niedergemetzelt. Die Goldene Horde beherrschte das heutige Südrussland bis Ende des 15. Jahrhunderts. Von Russland aus drängte die Goldene Horde weiter nach Polen, Schlesien und Ungarn.