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Die Auswanderung der Deutschen ins Schwarzmeergebiet
Die 2. und 3. Auswanderungswelle der preußischen
Mennoniten1
(1804-1805; ab 1861)
Die Mennonitenansiedlungen an der Molotschnaja (hier zur Karte)
Zar Alexander I.
Zar Alexander I. beauftragte 1804 den deutschen Kolegienrat des "Tutelkontors für Neurussland" Samuel Contenius2 einen weiteren Zuzug von Mennonitenfamilien zu organisieren. Sie galten als als fähige Bauern und sollten als Musterwirte einen positiven Demonstrationseffekt auf die einheimische Bevölkerung ausüben. Durch ihr Beispiel der gemeinsamen verbindlichen und diszipliniert befolgten Regeln, Rechtsvorstellungen für einen fairen Tausch und Ordnungen im Bereich lokaler Autonomie sollten sie zur „Vervoll-kommnung des Ackerbaus“ beitragen.
Schon seit 1802 wurden am Fluss Molotschnaja zirka 120.000 Desjatinen landwirtschaftlich nutzbarer Fläche in der bisherigen Nogaier3 Steppe bereitgestellt. Es sollte das zweite mennonitische Siedlungszentrum werden und wurde daher Molotschnaer Ansiedlung genannt.
Ab 1804 enstanden 19 Kolonien an der Molotschna in Taurien, die von mennonitischen Siedlern aus Westpreußen gegründet wurden.
Die Einwohner von Molotschna teilten das Schicksal der Chortitzaer Ansiedlung, sie wurden 1943 in den Warthegau evakuiert und später von der Roten Armee bei ihrem Einmarsch nach Deutschland zurück in die Sowjetunion deportiert. Dort wurden sie nach Sibirien und Kasachstan geschickt. Viele ihrer Nachkommen leben heute in Deutschland, Kanada, den Vereinigten Staaten und Südamerika.
3. Einwanderungswelle
Ab 1861 entstand im Norden des Gebiets Samara bei Orenburg an der Wolga die mennonitisch-lutherische Ansiedlung Alt-Samara (Alexandertal). Die 54 Kolonistenfamilien kamen aus West-preußen.
Vor ihrer Abreise mussten diese Siedler 350 Silberrubel als Pfand hinterlassen, die sie am Ende ihrer Reise zurückerhielten. Jede Familie erhielt 65 Desjatine (71,5 ha), das für 12 Rubel pro Desjatine gekauft werden musste. Neben Religionsfreiheit und Selbstverwaltung wurde ihnen die Befreiung vom Militärdienst für 20 Jahre zugestanden. Danach war ein Wehrgeld von 300 Silberrubel für jeden Wehrdienstpflichten zu zahlen.
Es wurden insgesamt 10 Dörfer gegründet: Alexandertal (1859), Neuhoffnung (1860), Mariental (1863), Grotsfeld (1863), Murawjowka (1863), Orloff (1867), Liebental (1870), Schönau (1870), Lindenau (1870), Marienau (1870), Rettungstal (um 1900 von lutherischen Siedlern abgekauft).
Auswanderer
Als die russische Krone 1874 auch für die Mennoniten die Wehrpflicht einführte, wan-derten viele von den Men-noniten weiter nach Nord-amerika, wo sie neue Men-nonitensiedlungen gründeten. Von dort aus gingen die Wanderungen später auch nach Mexiko, Paraguay und in andere Länder Mittel- und Südamerikas.
Das Schicksal der Mennoniten im 20. Jahrhundert
Auch nach der Oktoberrevolution von 1917 wurden die in Russland gebliebenen Mennoniten vom Sowjetstaat als ethno-konfessionelle Gemeinschaft anerkannt. Ende der 20er Jahre unterlagen die Mennoniten aber den sowjetischen Militärgesetzen.
1941 mussten die Mennoniten wie alle Deutschstämmige in Russland ihre Heimatgebiete verlassen. Sie wurden in asiatische Gebiete umgesiedelt (deportiert). Nur die Gemeinden um Orenburg hatten ihre Wohnsitze behalten können.
1 Mennoniten =
Anhänger einer evangelischen Freikirche, die die Erwachsenentaufe
pflegt u. den Wehrdienst u. die Eidesleistung ablehnt.
2 Samuel Kontenius war
eine der bekanntesten Persönlichkeiten unter den Deutschen im Russischen
Reich des 19. Jahrhunderts. Über 30 Jahre lang kümmerte er sich mit viel
Einsatz um die Kolonisten. Seine Herkunft ist bis heute
nicht geklärt. Er soll 1749 in der Familie des Pastors Christian
Kontenius das Licht der Welt erblickt haben. In einigen Quellen wird
Schlesien, in anderen Westfalen als seine Heimat genannt. 1798 wurde
er mit der Inspektion der Ausländerkolonien in Klein- und Neurussland
betraut. Er organisierte die Ansiedlung der deutschen Kolonisten in den
verschiedenen Gebieten Neurusslands und sorgte auch für die Entwicklung
der Kolonien, indem er sie in allen Lebensbereichen beriet. Contenius
führte seine Tätigkeit bis zum Jahre 1818 fort. In diesem Jahr
wurde das „Vormundschaftskontor für die ausländischen
Ansiedler in Jekaterinoslaw“ umorganisiert und in „Fürsorgekomitee
für ausländische Ansiedler“ umgetauft. Contenius dankte ab. Sein
Nachfolger wurde General Inzow. Contenius blieb als Berater des Generals
bis zu seinem Tod im Jahr 1830 tätig.
3 Nogaier = türkisch-tatarisches Volk, das sich selbst als unmittelbaren Erben der einstigen Nogaier-Hord sieht. Die Volksbezeichnung rührt vom Namen des Mongolenherrschers Kara Nogai Khan her. Sie hatten die Reputation von Steppenvagabunden, die Außenseiter aufnahmen.