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Die Leibeigenschaft in Russland

im 19. Jahrhundert

(Teil 3 von 3)

Die Abschaffung der Leibeigenschaft

I

m Jahr 1863 folgte die Befreiung der zwei Millionen Apanagenbauern1, die durchschnittlich 4 ha Land erhielten und noch günstiger waren die 1866 befreiten 19 Millionen Staatsbauern2 mit durchschnittlich 7,5 ha Land für nur 16 Rubel pro Hektar, zahlbar zunächst in Form einer Steuer.

Bessarabien in Europa
Bessarabien in Europa

Eines der wichtigsten folgenden Gesetze war das vom 4. Juni 1871 über die Regelung der Grundbesitz-verhältnisse der sogenannten Kolonisten. Das waren meistens Nach-kommen der deutschen Einwanderer in den Gouvernements St. Petersburg, Nowgorod, Samara, Saratow, Woronesh, Tschernigoff, Poltawa, Jekaterinoslaw, Cherson, Taurien und Bessarabien. Mit Ausnahme der Mennoniten wurden bei diesen Kolonisten die Landanteile und die Pachtsteuer nach denselben Grundsätzen normiert wie bei den Staatsbauern.

Obwohl 1883 die Rückzahlungsraten um 20 % gesenkt, die Zahlungen danach zeitweilig sogar ganz ausgesetzt wurden, stiegen die Zahlungsrückstände ungeachtet weiter an.

Kulaken raus!
Kulaken raus! (Plakat aus dem Jahr 1931)

Die Abgaben, die die Bauern für das ihnen überlassene Land zu zahlen hatten, überforderten die Mehrzahl von ihnen; nur die Minderheit der reichsten Bauern, der Kulaken3, also selbständig arbeitenden 'Großbauern', fand unter diesen Umständen eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage und profitierte materiell von der Agrar-reform. An die Stelle der Leibeigenschaft trat der Landhunger der bäuerlichen Massen.

Schon bald sahen sich die Bauern von Sozialrevolutionären und später von den Bolschewisten umworben. Der Aufschwung der bäuerlichen Massenbewegung führte schon 1861 zum Entstehen revolutionärer Zirkel ('Semlja i Wolja'4), die die zaristische Autokratie und die Leibeigenschaft bekämpften.

Alexander Apsit: Zar, Geistlichkeit und Reiche werden von der arbeitenden Klasse getragen
Alexander Apsit: Zar, Geistlichkeit und Reiche werden von der arbeitenden Klasse getragen

Die große Masse der Bauernschaft verarmte vollends und aus den Dörfern wurden erste Unruhen gemeldet, die in der Russischen Revolution von 1905 gipfelten.

Revolution 1905
Revolution 1905

Die weitere Entwicklung schuf die Voraussetzung für die sozialistische Oktoberrevolution von 1917. Unmittelbar nach ihrem Sieg verfügte die allrussische Kongregation auf Lenins Antrag mit dem 'Dekret über Grund und Boden' die entschädigungslose Enteignung des Großgrundbesitzes.

Sturm auf das Winterpalais (1917)
Sturm auf das Winterpalais (1917)

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1 Apanagenbauern = Die Apanagengüter bestanden hauptsächlich aus den früher sogenannten 'Schlossgütern', d. h. aus Erbgütern der Zarenfamilie

2 Staatsbauern wurden auch als "Kronsbauern" bezeichnet und galten offiziell als Leibeigene des Staates (im Gegensatz zu den Leibeigenen der Landbesitzer). Sie verfügten über mehr Freiheiten als man denkt. So konnten die Staatsbauern Land erwerben, durften aber keine Leibeigenen besitzen. Die Staatsbauern wurden auch dazu berechtigt ihren Status aufzugeben und in die Stadt zu ziehen. Die “Leibeigenen des Staates“ waren dem Staat aber auf vielerlei Weise verpflichtet: sie konnten in die Armee eingezogen werden, mussten Steuern entrichten und Pacht für das vom Staat zur Verfügung gestellte Land zahlen.

3Kulak = Bezeichnung für den russischen Mittel- und Großbauern aber auch eine abfällige Bezeichnung der wohlhabenden Bauern auf dem Lande. Kulak, was wörtlich übersetzt “Faust“ bedeutet (jemand, der seinen Besitz fest in den Fäusten hält), wird im Sinne von “Wucherer“ oder “Dorfkapitalist“ gebraucht. Jemanden, der kleine Bauern und seinen in Not geratenen Nachbarn um Hab und Gut gebracht hatte.
Nach der Oktoberrevolution von 1917  und im Verlauf der Kollektivierungsmaßnahmen (1929/30) unter Stalin wurde der Begriff Kulak zum Schimpfwort und auf alle angeblichen 'Ausbeuter' in der Landwirtschaft ausgedehnt und als feindliche 'Klasse' liquidiert. Auch Witwen und alte Bauern fielen unter diese Kategorie, weil sie einen Knecht oder eine Magd beschäftigten.

1919 war ein Kulak der, der zwei Häuser mit Blechdach, mehr als fünf Kühe oder Pferde oder mehr als 20 Schafe besaß. Auf dem Höhepunkt der Kollektivierung (1932) bedeutete bereits geringfügiges landwirtschaftliches Eigentum, wie zum Beispiel eine Kuh oder die Beschäftigung von Tagelöhnern oder Mägden und Knechten als Kulakentum und führte zu Zwangsmaßnahmen: Schon seit 1927 mussten sie höhere Steurn bezahlen und bekamen keine Kredite oder Geräte mehr. Viele verkleinerten ihre Anbaufläche und ihren Viehbestand, um kein 'Kulak' mehr zu sein, was dazu führte, dass bald Getreide für den Export und zur Versorgung der Städte fehlte.
Im Herbst 1929 wurde es den Kulaken verboten, in die entstehenden Kollektive einzutreten, weil man dort ihre Meinungsführerschaft fürchtete, was dann zu Enteignung und schließlich zu Deportation in menschenleere Gebiete oder in den Gulag führte. Oft wurden auch die Familienangehörigen der 'Kulaken' und sogar angebliche Kulakensöldlinge verfolgt.
Auf der Grundlage der Beschlüsse des Zentralexekutivkomitees und des Rates der Volkskommissare vom 30. Januar und 1. Februar 1930 und einer Instruktion vom 4. Februar wurden alle Kulaken in drei Kategorien eingeteilt: die Bauern der 1. Kategorie galten als 'konterrevolutionäre Elemente', die entweder gleich erschossen, oder in ein Arbeitslager der GPU (Staatssicherheitsdienst) gebracht wurden. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und ihre Angehörigen fielen unter die Deportierten.
Die Kulaken der 2. Kategorie waren zwar weniger gefährlich, galten aber als 'fürchterliche Ausbeuter'. Sie wurden enteignet, verhaftet und mit ihren Familien in entlegene Gebiete deportiert.
Die Kulaken der 3. Kategorie galten als 'staatstreu, wurden enteignet und in unfruchtbare, unkultivierte Zonen ihrer Distrikte umgesiedelt.

ezeichnung für den russischen Mittel- und Großbauern aber auch eine abfällige Bezeichnung der wohlhabenden Bauern auf dem Lande. Kulak, was wörtlich übersetzt “Faust“ bedeutet (jemand, der seinen Besitz fest in den Fäusten hält), wird im Sinne von “Wucherer“ oder “Dorfkapitalist“ gebraucht.
Nach der Oktoberrevolution von 1917  und im Verlauf der Kollektivierungsmaßnahmen (1929/30) unter Stalin wurde der Begriff Kulak zum Schimpfwort und auf alle ländlichen 'Ausbeuter' ausgedehnt und als feindliche 'Klasse' liquidiert. Auf dem Höhepunkt der Kollektivierung (1932) bedeutete bereits geringfügiges landwirtschaftliches Eigentum, wie zum Beispiel eine Kuh oder die Beschäftigung von Tagelöhnern oder Knechten als Kulakentum und führte zu Zwangsmaßnahmen: Zuerst höhere Abgaben, dann Enteignung, schließlich Deportation in menschenleere Gebiete oder in den Gulag. Oft wurden auch die Familienangehörigen der 'Kulaken' und sogar angebliche Kulakensöldlinge verfolgt.
Auf der Grundlage der Beschlüsse des ZK der Partei, des Zentralexekutivkomitees und des Rates der Volkskommissare vom 30. Januar und 1. Februar 1930 und einer Instruktion vom 4. Februar wurden alle Kulaken in drei Kategorien eingeteilt: die Bauern der 1. Kategorie galten als 'konterrevolutionäre Elemente', die entweder gleich erschossen, oder in ein Arbeitslager der GPU gebracht wurden. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und ihre Angehörigen fielen unter die Deportierten.
Die Kulaken der 2. Kategorie waren zwar weniger gefährlich, galten aber als 'fürchterliche Ausbeuter'. Sie wurden enteignet, verhaftet und mit ihren Familien in entlegene Gebiete deportiert.
Die Kulaken der 3. Kategorie galten als 'staatstreu, wurden enteignet und in unfruchtbare, unkultivierte Zonen ihrer Distrikte umgesiedelt.

4 Semlja i Wolja ('Land und Wille' bzw. 'Land und Freiheit') = revolutionärer Geheimbund der Rasnotschinzen (Menschen verschiedener Ränge, die im 18. und 19. Jahrhundert eine Zwischenschicht bildeten, deren Vertreter aus den Reihen der Geistlichkeit, Kaufmannschaft, des Kleinbürgertums, der unteren Beamtenschaft usw. stammen).
Im Juni 1879 kam es auf dem Woronesher Kongress der „Semlja i Wolja“ zur Spaltung und es entstanden die gemäßigten „Tschorny Peredjel“ (Schwarze Umteilung) und die terroristische „Narodnaja Wolja“ (russisch Народная воля für Volkswille und zugleich Volksfreiheit).
Während die Tschorny Peredjel die revolutionäre Propaganda in den Vordergrund stellte, waren die Ziele der Narodnaja Wolja der Sturz des Zaren, freie und allgemeine Wahlen, Volksvertreter und Meinungs-, Presse- und Gewissensfreiheit und eine Verfassung. Die Narodnaja Wolja war verantwortlich für das Sprengstoffattentat am 13. März 1881, dem Zar Alexander II. in Sankt Petersburg am Gribojedow-Kanal erlag.

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