Das Abklingen der Allgäuer Erweckungsbewegung

Ignaz Lindl

Ignaz Lindl
Ignaz Lindl

ignaz Lindl z.B. wurde im Sommer 1817 von dem aufklärerisch gesinnten Regierungspräsidenten des Oberdonaukreises, Karl Ernst Freiherr von Gravenreuth, beim Innenministerium als "Intrigant" denunziert:

"er gehöre in ein priesterliches Korrektionshaus, damit er dort seinen schwärmerischen1 Rausch ausschlafe".

aus: Ernst Staehelin: Christentumsgesellschaft 2, S. 387, Nr. 228;

Lindl wurde verhaftet und nach 9-monatiger Gefangenschaft in Augsburg wurde er aufgrund eines königlichen Reskriptes vom 21. August 1818 dann in die nahe der württembergischen Grenze gelegene Gemeinde Gundremmingen versetzt, von wo er Kontakte zu den Pietisten in Württemberg aufnahm.

Albrecht Dürer: Die apokalyptischen Reiter
Albrecht Dürer:
Die apokalyptischen Reiter

In Gundremmingen konnte er innerhalb kurzer Zeit erneut zahlreiche Gemeinde-glieder für seine immer stärker hervortretenden chiliastisch-apokalyptisch-en2 Erwartungen gewinnen.

Seine Botschaft wurde in der Umgebung vielfach begeistert aufgenommen, so auch in Württemberg.

Seine einfache Sprache hinterließ bei den Menschen den Eindruck, verstanden zu haben und verstanden worden zu sein.

Der Asselfinger Pfarrer Miller warf am 24. Mai 1819 seinen erweckten Gemeindegliedern vor, "Zeit zu haben in das weit entfernte Gundremmingen gehen zu können, um einen katholischen Pfarrer zu hören, in seine Betstunden kämen sie aber nicht.

aus: Michael Kannenberg: Verschleierte Uhrtafeln: Endzeiterwartungen im württembergischen Pietismus, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göppingen, 2007, S. 72;

Alexander Golízyn
Alexander Golízyn

Lindls Ruf wurde aber auch über Deutschlands Grenzen hinausgetragen. Durch Vermittlung Juliane von Krüdeners und des Fürsten Alexander Golízyn, dem Minister für Geistliche Angelegenheiten, erhielt Lindl von Kaiser Alexander I. die Predigerstelle an der St. Petersburger Malteserkirche angeboten. ...

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Überzeugt von seinen chiliastisch-apokalyptischen2 Erwartungen, in Russland einen Bergungsort für die Erwählten der endzeitlichen Nöte zu finden und auch um einen mit der bayerischen Regierung drohenden Konflikt auszuweichen, entschloss sich Lindl 1819 das Angebot anzunehmen.

Bei jeder Gelegenheit forderte Lindl seine Anhänger zur Auswanderung nach Russland auf und viele erklärten sich bereit, seinem Ruf zu folgen.

Die einen wollten ihm folgen, um mit ihm dort eine Brüdergemeine3 zu errichten, damit sie und ihre Kinder ungehindert leben könnten und die anderen, unter Hinweis auf das unmittelbar drohende Erscheinen des Antichrists, wollten sich vor den befürchteten Verfolgungen retten.

Am 18. Oktober 1819 verließ Lindl Bayern und kam somit einem Befehl der bayerischen Regierung, ihn in ein geistliches Zuchthaus zu stecken, um einen Tag zuvor.

 

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1 Schwärmer = abfällige Bezeichnung für radikale Gruppen (Spiritualisten) in der Reformationszeit. Luther bezeichnete alle, die nicht mit seinem Verständnis der Bibel und seiner Lehre übereinstimmten, als "Schwärmer" oder "Schwarmgeister".
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in der evangelischen Kirchengeschichtsschreibung Anhänger reformatorischer Bewegungen als "Schwärmer" bezeichnet, also diejenigen die sich als unmittelbar vom Heiligen Geist geführt verstanden, den Anspruch erhoben, die reformatorischen Glaubenserkenntnis radikal zu verwirklichen und diesen "göttlichen Auftrag" als Offenbarungsquelle neben bzw. über die Bibel stellten und den von ihnen abgelehnten Strukturen und Formen der Kirche und des Gottesdienstes eigene, "dem Heiligen Geist gemäße" Formen entgegensetzen.

2 chiliastisch-apokalyptisch = im ursprünglichen Sinn Glauben an die Wiederkunft Jesu Christi und das Aufrichten seines tausend Jahre währenden Friedensreichs (Chiliasmus), einem irdischen Paradies, verbunden mit dem nahen Ende der gegenwärtigen Welt (Apokalypse).

3 Büdergemeine = (im Sinne von gemeine, also einfache Leute) dem Pietismus verwandte Religionsgesellschaft, die durch heitere Frömmigkeit, arbeitsames Leben, Missions-, Erziehungs- und Pflegetätigkeit gekennzeichnet sein sollte.