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Stenka Rasins Raubzüge im Kaspischen Meer (1667-69)

 

Rossschweif

im August 1669 tauchte Rasin plötzlich wieder vor Astrachan auf. Um wieder in die Wolga hineingelassen zu werden akzeptierte er nun großmütig einen neuen Begnadigungsbrief des Zaren Alexei I.

Er hatte ja nur seinen Rossschweif1, das Abzeichen seiner Befehlsgewalt, niederzulegen, auf seine Gefangenen und seine Waffen zu verzichten und eine Delegation nach Moskau zu schicken, um seine Begnadigung zu erbitten. Vom 25. August bis 4. September blieb Stenka in Astrachan und schnell wurde er der Held der Stadt, den alle bewunderten.

Es soll hier daran erinnert werden, dass im semiasiatischen Königreich Astrachan neun Zehntel der Bevölkerung Nomaden waren und man eine räuberische Atmosphäre spürte, die die natürliche Umgebung des Rebellen Stenka Rasin war.

Das gemeine Volk war durch den Anblick des in Atlasseide und Juwelen gekleideten Kosakenhetman und seiner Kameraden fasziniert. Auch seine außergewöhnlichen Wutausbrüche wurden als etwas Wesentliches und Übermenschliches bewundert. Seine Taten appellierten sowohl an die allgemeine Gier wie an das populäre Erstaunen. Welche Beute konnte da bei einem solchen Batjuschka2 nicht errungen werden?

Čajka
Čajka

Mit Jubel hatten sie von den Taten der Kosaken erzählen hören und sie bewunderten die Čajka (Boot) des Stenka Rasin, dessen Taue aus Seide und die Segel aus kostbarem, persischem Material bestanden.

 

Er war anders als die Wojewoden und die Offiziere der Prikase3, die vom Schweiß und Blut der Leute lebten und sie schlecht behandelten. Für jeden hatte Rasin ein gutes Wort. Kein Wunder, dass das gemeine Volk Stenka als einen Märchenpaladin sah.

Oft gaben wohlhabende Kaufleute am Don ihre gewöhnlichen Beschäftigungen auf, um sich den lukrativeren Spekulationen eines gewöhnlichen Kosakenüberfalls anzuschließen. Wie groß muss da die Faszination einer Expedition unter einem Häuptling gewesen sein, der sowohl den Schah als auch den Zaren erpresste, vor allem ganz ungestraft.

Ein solcher Abenteurer konnte nicht nur auf die Bauern rechnen, die die gleiche Herkunft wie er selbst hatten, sondern auch auf die Strelitzen oder Musketiere, die Halbkosaken von Beruf waren.

 

Sulaiman I.
Sulaiman I.

In wilden Trinkgelagen, um den Abschied vom Piratenleben würdig zu feiern, verbrachte er mehrere Tage vor Astrachan. Inzwischen begannen seine Männer aber zu argwöhnen, er wäre weich geworden, seit er die persische Prinzessin (Tochter Sulaimans I., Schah von Persien) zu seiner Geliebten gemacht hätte und als er eines Tages mit seiner mit Geschmeiden und kostbaren Kleidern gezierten Geliebten auf der Wolga umherfuhr, ergriff der halb betrunkene Hetman schreiend die unglückliche Perserin und stürzte sie in die reißenden Fluten der Wolga, wo sie schnell verschwand:

"Wolga, Wolga, liebe Mutter, Wolga, du russischer Strom, du hast noch kein Geschenk gesehen von einem Donkosaken!

Und damit keine Zwietracht herrsche unter freien Menschen, Wolga, Wolga, liebe Mutter, wegen eines schönen Mädchens - nimm du es!"

Volkslied: Stepan Rasin, 8 u. 9. Strophe;

 

Rasin wirft die Perserin in die Fluten der Wolga
Rasin wirft die schöne Perserin in die Fluten der Wolga

 

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1 Rossschweif = Der Rossschweif (Tugh, türk: tuğ, mongolisch: Tuk) ist ein von den Osmanen (ein historisches Turkvolk in Kleinasien, seit 1923 einheitlich als Türken bezeichnet) rund 400 Jahre verwendetes Würdezeichen. Anfänglich diente er wohl als Kennzeichen für den Standort des Anführers einer Reitergruppe. Später entwickelte sich der Rossschweif zu einem osmanischen Symbol und Rangabzeichen, der die Stellung des Würdenträgers innerhalb der Hierarchie des Osmanischen Reiches kennzeichnete.
So zählte ein erbeuteter Rossschweif (Kommandostab) bei den christlichen Heeren zu den begehrtesten Trophäen. Nach altem Kriegsbrauch wurde er mit der Siegesmeldung dem Kaiser überbracht und bekundete durch seine mehr oder weniger ansehnliche Anzahl die Größe des jeweils errungenen Sieges. Meist schenkten der Kaiser und auch andere Fürsten eroberte Feldzeichen an den Papst und an Kirchen weiter, wo sie bei Dank- und Freudenfesten aufgehängt wurden.
2 Batjuschka = russische Bezeichnung für "Väterchen", Anrede des Vaters und der Popen
3 Prikase waren im zaristischen Russland vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zentrale Behörden, die für Justiz, Finanzen oder die öffentliche Verwaltung zuständig waren

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