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Die Rechtsstellung der deutschen Kolonisten

(Teil 2 non 3)

Rock des deutschen Oberschulzen Höger um 1900
Rock des deutschen Oberschulzen
Höger, um 1900
(mit freundlicher Genehmigung
des Fotografen N. H.)

Bei Dorfwahlen waren alle Kolonisten ab dem vollendeten 20. Lebensjahr stimmberechtigt, unter der Bedingung, dass sie eine Wirt-schaft besaßen.

 

Alle Angelegenheiten, die das wirtschaftliche, soziale und kultu-relle Leben betrafen, wurden auf den Dorfbürgerversammlungen verhandelt.

Diese Verhandlungen sollten von allen Teilnehmern aufmerksam verfolgt und in Ruhe beobachtet werden.

 

Die Dorfgemeinde hatte keine Strafgewalt, die lag in den Händen der Gebietsbehörde; tatsächlich aber konnten die Dorfschulzen1 in ziemlichem Umfang Strafen ver-hängen:

1 Rubel aus dem Jahr 1818
1 Rubel aus dem Jahr 1818

Für Beleidigung von admini-strativen Personen (Schul-zen usw.) gab es emp-findliche Geldstrafen in Höhe von 20-30 Rubeln, daneben bis zu drei Tagen Haft. In jedem Dorf befand sich ein sogenanntes “Arresthaus“ (Ostrok). Die Strafe sollte bei Wasser und Brot abgebüßt werden; aber man nahm es in der Regel nicht immer so genau.

Sonstige Beleidigungen wurden nur leicht und nur auf Antrag des Beleidigten ge-ahndet.

katholische Kirche in Johannestal im Bezirk Beresan
katholische Kirche in Johannestal
im Bezirk Beresan

Wer seine christlichen Pflichten nicht erfüllte, d. h. an Sonn- und Feiertagen dem Gottesdienst fernblieb, wurde das erste und zweite Mal vom Schulzen ermahnt. Dann aber wurde für jedesmaliges Ausbleiben eine Geldstrafe von 3-15 Kopeken erhoben. War jemand dreimal im Jahre so bestraft worden, ohne sich zu bessern, so wurde die Geldstrafe jedes-mal verdoppelt und ein Tag Gemeindearbeit als Strafe hinzugefügt. Ungehorsam gegen den Schulzen hatte ebenfalls die Auferlegung von Gemeindearbeiten und geringe Geldstrafen zur Folge.

Fuß- und Armblock
Fuß- und Armblock

Wer nicht imstande war, eine über ihn verhängte Geld-strafe zu bezahlen, musste sie durch Gemeindearbeiten nach Taglöhnersatz ab-arbeiten. Zu diesen Arbeiten gehörten Ausbesserung von Brücken und Wegen, Ziehen von Gräben, Anlegung von Gärten und ähnliches. Wer nach mehrmaliger Be-strafung durch Gemeinde-arbeiten sich nicht besserte, musste die Arbeiten im Fußblock oder mit dem Halseisen leisten. Diese Verschärfungen wurden erst unter Alexander II. abgeschafft.

 

Feuer im Dorf
Feuer im Dorf

Dauernde Untätigkeit, Streit-sucht, Trunksucht und be-sonders sittliche Ver-fehlungen waren ebenfalls unter Strafe gestellt. Besserte sich der Sünder nicht, war die Gemeinde befugt, ihn aus der Kolonie auszuweisen.

 

Wegen Brandgefahr durfte zur Nachtzeit in den Häusern kein offenes Licht angezündet werden. Es war auch verboten, mit brennender Tabakspfeife auf der Straße zu gehen.

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Anmerkungen

1 Schulze = spätmhd. schultz, schultesse, gekürzt aus mhd. Schultheiß, eine westgerm. Substantivbildung zu Schuld und heißen befehlen. Im deutschen Mittelalter wurde der Schultheiß zum obrigkeitlichen Vorsteher besonders in den Dörfern, er hat bei der deutschen Ostkolonisation eine wichtige Rolle gespielt.