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Die Auswanderung der Deutschen nach Bessarabien

Als Folge des russischen Sieges über die Türken musste das Osmanische Reichim Frieden von Bukarest am 16. Mai 1812 das Gebiet zwischen Pruth und Dnister an Russland abtreten. Bessarabien wurde von der Moldau, zu der es über 400 Jahre gehörte, abgetrennt und bildete nun das westlichste und kleinste Gouvernement Neurusslands.

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Warschauer Kolonisten
Warschauer Kolonisten

Die größte Gruppe der Ein-wanderer kam nach dem Aufruf des Zaren Alexander I. 1814 entweder auf dem Landweg über Schlesien - Lemberg oder mit "Ulmer Schachteln" auf der Donau nach Bessarabien.

Eine andere Gruppe bestand aus den sogenannten "War-schauer Kolonisten", die den Landweg mit Pferd und Wagen bevorzugten. Sie hatten während der Reise weniger an Infektionskrankheiten zu leiden.: Es waren zirka 8.000 Personen aus dem Herzogtum Warschau.

Von 1816-18 kamen in dieses Gebiet noch andere Siedler aus dem Südwesten Deutschlands.

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Herzogtum Warschau in gelb
Herzogtum Warschau in gelb

Der wirtschaftliche und kirchliche Ausnahmeszustand veranlasste viele tausende Menschen ihr Heimatland zu verlassen. Viele suchten für sich nach Rettung und glaubten ihr Heil fern der Heimat, in Neurussland finden zu können.

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Der Status der Kolonisten

Die Kolonisten leisteten nach ihrem Eintreffen in Russland den Untertaneneid, sie wurden russische Untertanen, aber keine Leibeigene.

 

ein deutsches Dorf in Bessarabien
ein deutsches Dorf in Bessarabien

Die hoch gelobte Selbst-verwaltung erfolgte nach Regeln, die auch für die wenigen russischen Staatsbauern1 galten. Außer den aus eigener Mitte gewählten Dorfschulzen, Oberschulzen, deren Beisitzern und den Ältesten für je zehn Höfe (Desjatskij) übten Kolonieaufseher des Fürsorgekontors, später des Fürsorgekomitees2 die Aufsicht über die Kolonien aus. Außer der niederen Gerichtsbarkeit fielen alle Streit- und Strafsachen in die Zuständigkeit der allgemeinen Justiz. Natürlich war die rechtliche Lage der Kolonisten ungleich besser als die der leibeigenen Bauern. Sie entsprach, mit wenigen Ausnahmen, dem Status der Staatsbauern, denn Kolonisten galten rechtlich als solche, da der Staat das Obereigentum am Land behielt, sie keine Leibeigenen besitzen durften und an die Gemeinde und den Boden gebunden waren.

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Anmerkungen

1 Staatsbauern wurden auch als "Kronsbauern" bezeichnet und galten offiziell als Leibeigene des Staates (im Gegensatz zu den Leibeigenen der Landbesitzer). Sie verfügten über mehr Freiheiten als man denkt. So konnten die Staatsbauern Land erwerben, durften aber keine Leibeigenen besitzen. Die Staatsbauern wurden auch dazu berechtigt ihren Status aufzugeben und in die Stadt zu ziehen. Die “Leibeigenen des Staates“ waren dem Staat aber auf vielerlei Weise verpflichtet: sie konnten in die Armee eingezogen werden, mussten Steuern entrichten und Pacht für das vom Staat zur Verfügung gestellte Land zahlen.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen den russischen Staatsbauern und den deutschen Kolonisten bestanden in der Agrarordnung, Besteuerung und Selbstverwaltung. Während die Kolonisten ihren Anteil am Gemeindeland ungeteilt an den jüngsten Sohn vererben sollten, nahmen die russischen Bauern periodische Umteilungen des Landes nach der Zahl der männlichen 'Seelen' vor.

2 Fürsorgekomitee = Zur Betreuung der Kolonisten wurde am 26. Juli 1800 ein “Kontor für ausländische Kolonisten” mit Sitz in Jekaterinoslaw (Dnipropetrowsk) eingerichtet, 1801 umbenannt in “Fürsorgekomitee für die ausländischen Kolonisten in Neurussland”. Es bestand aus einem Vorsitzenden, auch Hauptkurator genannt, und zwei Mitgliedern, nebst den nötigen Schreibern, Landmessern, 4 Übersetzern, 1 Arzt, 1 Veterinär und sonstigen Beamten. Diesem Komitee lag die politische Verwaltung der Kolonien ob.
Nur die Kriminalverbrechen unterstanden der allgemeinen staatliche Gerichtsbarkeit, vorausgesetzt, dass das Fürsorgekomitee zu weit von den betreffenden Kolonien entfernt lag.
Das Fürsorgekomitee unterstand bis 1837 dem Innenministerium, dann dem Staatsdomänenministerium.
Das Fürsorgekomitee bildete eine wichtige intermediäre Institution. Es war die Verbindungsstelle zwischen der russischen Regierung und den Kolonisten und wirkte nicht nur als Förderungs-, sondern auch als Kontrollorgan. Der Instanzenweg war somit folgender: Dorfamt, Gebietsamt oder Wolost, Kontor und Fürsorgekomitee.
Aufgabe des Fürsorgekomitees war die Erteilung der russischen Staatsbürgerschaft, die Leitung der Ansiedlung nach geltenden Regeln, die Wahrung der den Kolonisten zugesicherten Rechte, Freiheiten und Privilegien und schließlich die Aufsicht und Kontrolle über die Verbindlichkeiten der Kolonisten gegenüber der russischen Regierung.
Präsidenten der Fürsorgekomitees waren von 1818 bis 1841 General der Infanterie Iwan von Inzow, von 1841 bis 1849 Staatsrat Eugen von Hahn, von 1849 bis 1853 Baron von Rosen, von 1853 bis 1856 Baron von Mestacher, von 1856 bis 1858 Vladimir Aleksandrovich Islavin, von 1858 bis 1866 Alexander von Hamm, von 1866 bis 1867 Fedor Lysander und von 1867 bis 1871 Wladimir von Oettinger.
Das Fürsorgekomitee wechselte wiederholt seinen Standort. Von 1818-1822 hatte es seinen Sitz in Jekaterinoslav. Als Inzow 1822 zum Gouverneur der 1812 neuerworbenen Provinz Bessarabien ernannt wurde, nahm er den ganzen Beamtenstab des Fürsorgekomitees mit sich nach Kischinew, wo es bis 1833 verblieb. Als Inzow 1833 Nachfolger des Generalgouverneurs von Neurussland Alexandre-Louis Andrault Graf Langeron wurde, kam Inzow nach Odessa und der ganze Apparat des Fürsorgekomitees folgte ihm. Hier verblieb es bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1871.