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Die Auswanderung der Schweizer ins Schwarzmeergebiet

(Teil 1 von 2)

Nach einer langen, beschwerlichen Reise trafen die ersten Siedler der Halbinsel Krim im Sommer 1804 ein. Sie kamen aus den Kantonen Zürich, Aargau, Bern, Freiburg, Glarus, Graubünden, Luzern, Neuenburg, Solothurn, St. Gallen und Waadt.

In ihrer Heimat hatten sie weder Rechte noch Freiheiten. Es durfte nicht gejagt und nicht geangelt werden, denn alles gehörte den "gnädigen Herren". Sie litten unter schweren Kontributionen (direkte Steuer für militärische Zwecke) und der Wirtschaftskrise2.

Für die Ankömmlinge war nichts vorbereitet, nur Tataren hausten hier in ihren armseligen Flechtwerkhütten, die halbwegs in den Boden eingegraben waren.

einige deutsche Siedlungen auf der Halbinsel Krim
einige deutsche Siedlungen auf der Halbinsel Krim

 

Anfang 1803 schrieb Sekmajor Hans Caspar Escher (*1755; †181)1 ehemaliger Züricher Kaufmann, an den russischen Innenminister, ob der Zar wohl Interesse an der Einwanderung von Schweizer „Fabrikanten, Landwirten, Handwerkern und einigen Personen aus guter Familie mit etwas Besitz“ hätte. Escher war nach dem Konkurs seiner Firma 1789 ins Zarenreich ausgewandert, wo er 1792 in russische Kriegsdienste trat und Major des Moskauer Dragonerregimentes wurde.

Das rückständige Russische Reich war eigentlich nicht nur an den fortschrittlichen Schweizer „Fabrikanten und Manufakturisten2“ interessiert, die ihren Besitz retten wollten, sondern auch an mittellosen Arbeitern, die besondere Fertigkeiten besaßen. Die durch die Kontinentalsperre3 betroffenen Schweizer4 konnten sich dadurch nicht mehr in Holland nach Amerika einschiffen.

 

Für die Interessenten aus der Schweiz galten die gleichen Privilegien ihrer Vorgänger, den "rheinischen Kolonisten". Unter anderem sollten sie Reisegelder zur Überfahrt ab der russischen Grenze bis zum Ansiedlungsort erhalten.

Die russische Regierung sagte den Schweizern zu, ihnen entweder in Galatz oder spätestens an der russischen Grenze einen Kredit von 30 holländischen Gulden auszuzahlen.

Unter diesen Bedingungen war aber niemand bereit die lange Reise zu riskieren. Der russische Innenminister lehnte daraufhin mit der Begründung ab, dass die Regierung nicht an armen Leuten interessiert wäre.

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Anmerkungen

1 Quelle: Erik-Amburger Datenbank

2 Manufaktur (von lat. manus - Hand, lat. facere - erbauen, tun, machen, herstellen) ist ein Betrieb in Übergangsform von Handwerk zu Fabrik.

3Die Kontinentalsperre wurde zur Verhinderung des Handelsverkehr mit anderen europäischen Ländern verhängt. Sie wurde 1806 von Napoleon verfügt und blieb bis 1814 in Kraft. Das Dekret verbot allen neutralen Festlandstaaten sowie den französischen Alliierten den Handel mit Großbritannien. Sie sollte England mit den Mitteln des Wirtschaftskrieges in die Knie zwingen. Darüber hinaus sollte die Kontinentalsperre die französische Wirtschaft gegen jegliche europäische und transatlantische Konkurrenz schützen. Daraufhin verbot Großbritannien im Januar 1807 Schiffen aller neutralen Länder, französische Häfen oder Häfen der mit Frankreich verbündeten Länder anzufahren. Die britische Wirtschaft wurde schwer geschädigt, ohne dass sich die Friedensbereitschaft erhöhte. Napoleons Dekrete führten zu bedeutend verringertem Importaufkommen in Europa, einem gewaltigen Anstieg der Warenpreise und zu einer Blütezeit des Schmuggels. Verschiedene europäische Länder versuchten, bestimmte zuvor importierte Waren nun selbst herzustellen, was die Grundlage für einige neue Industriezweige bedeutete. Die Kontinentalsperre führte beinahe zum Untergang des amerikanischen Schiffhandels, der bis dahin ein wichtiger Teil der Wirtschaft gewesen war. Das Beharren Großbritanniens auf der Durchführung seiner Maßnahmen war einer der Gründe für den Ausbruch des Britisch-Amerikanischen Krieges von 1812.

4 Schon vor Einsetzung der Kontinentalsperre war die Schweiz von den Maßnahmen Bonapartes betroffen: Im Oktober 1803 wurden die Exporte von Baumwollwaren nach Frankreich durch hohe Zölle erschwert und im Februar 1806 völlig verboten (inkl. des Transits schweizerischer Manufakturprodukte durch Frankreich nach Spanien). 1804 untersagte Napoleon den Import von Hanf und Flachs aus Belgien und dem Elsass in die Schweiz und 1805 der piemontesischen Rohseide. Nur die Einfuhr von Maschinengarn, dem Basisprodukt der schweizerischen Textilfabrikation, war mit Billigung der französischen Regierung weiterhin möglich. Damit hatte die Schweiz die Kontinentalsperre quasi vorweggenommen.
Die für das Fortbestehen der Textilindustrie entscheidende rohe Baumwolle gelangte in den folgenden Jahren praktisch nur noch aus dem Osten in die Schweiz. Mit dem Dekret von Trianon (5.8.1810) begann die zweite Phase der K.: Sämtl. Kolonialwaren mit Ausnahme der franz. wurden mit einem Zoll von bis zu 50% ihres Werts belastet. Es kam zu einer Blütezeit des Schmuggels, der von Sondergerichten bekämpft wurde. Beschlagnahme von Kolonialwaren und britischen Manufakturprodukten und ein von Italien, Baden, Württemberg und Bayern verhängtes Exportverbot von Kolonialwaren und aus dem Osten kommenden Baumwolle in die Schweiz führten in der Ostschweiz zu Arbeitslosigkeit und trieben verschiedene Handelshäuser in Basel und Zürich in den Ruin. Die Kontinentalsperre brachte der schweizerischen Textilindustrie aber nicht nur Nachteile. Der Ausschluss der britischen Konkurrenz vom kontinentalen Markt förderte die Entwicklung der mechanischen Baumwollspinnerei in der Schweiz. Gleichzeitig verzögerte die Kontinentalsperre den völligen Niedergang der Handspinnerei. Nach dem Sturz Napoleons und der Aufhebung der Kontinentalsperre überfluteten preisgünstige britische Baumwollwaren den Kontinent und lösten in der Schweiz 1816-17 eine schwere Wirtschaftskrise aus.