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Die „rheinischen“ Kolonisten von 1803

(Teil 1 von 3)

Ende 1803 bot der französische Offizier Franz Ziegler an, mit 80 Familien nach Russland zu kommen und dort eine Kolonie zu gründen. Ziegler warb nicht nur Interessenten aus Württemberg, sondern auch eine große Zahl aus Baden1, dem Elsass2 und Lothringen3 an.

Er warb insgesamt 1.140 Personen (325 Männer, 245 Frauen mit 571 Kindern) an und sandte sie in zehn Transporten auf der Donau von Ulm, über Regensburg und Wien nach Odessa. Ende Juni 1803 ging der erste Transport ab, die weiteren folgten im Abstand von 10-15 Tagen. Der 10. und letzte Transport kam aber erst im Sommer 1804 am Ziel an.

Donau
die Donau

 

Winzer
Winzer

Die meisten Einwanderer bezeichneten sich als Winzer. An zweiter und dritter Stelle folgten Landwirte und Bäcker. Aber auch Weber, Hutmacher, Schneider, Posamentierer, Zeugdrucker, Schuster, Zimmerleute, Drechsler, Metzger, Brauer, Seifensieder, Barbiere, Chi-rurgen und ein Schulmeister wollten ihr Glück in Russland versuchen.

In den 7. Transport hatte Ziegler neun mittellose Zimmergesellen aufge-nommen. In vielen Fällen gaben die Auswanderer jeweils noch weitere Berufe neben „Winzer“ und „Landwirt“ an, was vermuten lässt, dass diese Berufsbezeichnungen zuweilen aus Opportunismus gewählt wurden oder dass es sich um Leute handelte, die für verschiedene Herren gearbeitet hatten.

 

Im ersten Transport überwogen die Katholiken, im zweiten war das Verhältnis zwischen Katholiken und Protesten ausgeglichen, in den folgenden waren die Protestenten in der Überzahl.

 

Bauernfamilie
Bauernfamilie

Ziegler pries seine Kolo-nisten als „schöne Jugend“ und als „fleißige, robuste Bauern“, doch befanden sich unter den Familienvätern des 1. Transports je ein 60-, 56-, 54- und 46-jähriger.

Mehr als die Hälfte der Auswanderer der ersten drei Transporte hatten laut Ziegler genügend Mittel für die Reise bis zur russischen Grenze, ein Teil von ihnen sogar ein beträchtliches Vermögen, das ihnen den Start in Neurussland, in der späteren Ukraine, erleichtern würde. Dies alles stellte sich dann als falsch heraus.

Auswanderung
Auswanderer

Russische Diplomaten in Regensburg und Wien fanden die Auswanderer jedoch jeglicher Mittel entblößt: „Die Kinder besäßen überhaupt keine warme Kleidung und ohne finanzielle Unterstützung könnten die Kolonisten die Reise nicht fortsetzen“.

Die russische Regierung war darüber sehr verärgert, denn laut Katharinas Manifest aus dem Jahr 1763 mussten die Kolonisten für die Reisekosten bis zur russischen Grenze selbst aufkommen. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht zu verlieren, konnte die Mission aber auch nicht abgebrochen werden.

 

Auswanderer
Auswanderer

Aber nicht alle erreichten ihr Ziel. Die Reise war sehr anstrengend. Am Tag legten die Kolonisten ca. 20 km nur mühsam zurück, lagerten oft im Freien, fern von jeder Ortschaft. Straßen nach unseren Vorstellungen gab es nicht, die Wege waren aus-gefahren, es gab kein Navigations-system sondern einfache Wege-beschreibungen, die ans Ziel führten.

Die Hälfte der Angehörigen des 1. Transportes kam schon krank in Galatz an, wo es keinen Arzt gab. Der 2. Transport überstand die Reise verhältnismäßig gut (8 Personen starben und 7 trennten sich auf den jeweiligen Stationen von der Gruppe). Der 4. Transport wurde von Flussräubern überfallen, wobei ein Kolonist getötet und 14 verwundet wurden. Auch der 5. Transport wurde von Räubern angegriffen, doch den Kolonisten gelang es sich mit Gewehrfeuer zu verteidigen. Etwa 10 % der Auswanderer soll die Schiffsreise nicht überlebt haben.

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Anmerkungen

1 Etwa die Hälfte aller Badener Auswanderer verließ das Land illegal - also ohne Genehmigung der Behörden.

Unterelsass
Unterelsass

3 Von 1798 – 1871 war die Region Elsass Teil von Frankreich. In den Jahren 1803 – 1817 gab es drei Auswanderungswellen von Elsässern nach Südrussland. Die meisten kamen aus den Kreisen Weißenburg (Wissembourg), Hagenau (Haguenau) und Zabern (Saverne) im Unterelsass. Diese Gebiete hatten in den Jahren der Französischen Revolution wirtschaftlich am meisten zu leiden. In dieser Zeit verließen etwa 40.000 Menschen ihre Heimat und zogen über den Rhein in deutsche Lande. Erst 1798 durften sie in das Elsass zurück, waren aber land- und mittellos geworden. Immer mit der Hoffnung auf eigenes Land suchten viele elsässische Bauern einen Neuanfang in Russland.
Die erste Auswanderungswelle setzte mit dem Manifest Alexanders I. ein. Bereits 1803/04 zogen viele Familien in die Gebiete bei Odessa und wurden in den Liebentaler Kolonien bzw. auf der Krim angesiedelt.
Die 2. und größte Auswanderungswelle folgte in den Jahren 1808/09. Diese Gruppe gründete zusammen mit Kolonisten aus der Südpfalz und dem Herzogtum Baden die katholischen Kolonien am Kutschurgan und im Beresaner Gebiet.
Nach dem Sturz Napoleons und der Invasion des Elsass folgte im Jahr 1817 die 3. Welle. 25 Familien aus dem Elsass wanderten nach Russland aus. Soziale Missstände und die katastrophale materielle Lage der meisten Bauernwirtschaften (Missernten in den Jahren 1815-1817) zwangen viele Menschen zur Auswanderung.

3 Lothringen war bis 1766 Teil des Heiligen Römischen Reiches und fiel dann bis 1871 an das Königreich Frankreich.