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Schlangendorf1,
eine deutsche Mutterkolonie im Schwedenbezirk

Die 1806 gegründete evangelische Mutterkolonie Schlangendorf (Simjewka, Zmejevka, Zmiivka, Smijiwka) liegt etwa 10 km östlich von Beryslaw.

Im Osten grenzt das Dorf an Mühlhausendorf und im Süden an die Konka (Kinska), ein Nebenfluss des Dnepr.

Im Westen grenzte Schlangendorf an Dremajlovka, ein kleines russisch-ukrainisches Dorf und ein paar Kilometer weiter an die 1841 gegründete jüdische Siedlung Neu-Berislav (Novyy Berislav, Novo-Berislav, Novoberislav).

 

 

der Schwedenbezirk am Dnepr
der Schwedenbezirk am Dnepr

Der einzige Weg vom Kloster Biziukov im Norden nach Berislaw verlief durch die Dörfer Klosterdorf, Altschwedendorf, Mühlhausendorf, und Schlangen-dorf.

 

Von den 19 Gründerfamilien stammten die meisten aus Preußen, drei aus Pommern und eine aus Schlesien.

Auf ihrem Weg in die neue Heimat erlitten die Einwanderer ein Unglück. In einem Wirtshaus bei Schytomir in Wolhynien brach eines Nachts Feuer aus, das die meisten ihrer Habseligkeiten und mehrere Wagen verzehrte. Ein älteres Ehepaar, das auf ihrem Wagen schlief, fand in den Flammen den Tod.

Auswanderungsweg
Auswanderungsweg

 

In Jekaterinoslaw sammelten sich die Einwanderer 1805, wo sie vom Fürsorgekomitee den Schreiber Peter Schmidt als Führer erhielten. Über Berislav kam diese Gruppe jämmerlich und ohne Hab und Gut in Schwedendorf an. Da die Siedler in ihrem Siedlungsgebiet keine fertigen Häuser vorfanden, verblieben sie in Schwedendorf bis zum Ende des Jahres.

Die neuen Siedler erhielten, so wie alle Kolonisten, Nahrungs– und Vorschussgelder sowie Baumaterial von der Krone. Da die Siedler ihre Häuser nicht nach Plan zweireihig, sondern einreihig bauten, wurden sie bei der Besichtigung durch Hofrat Schilkow im Herbst 1806 getadelt: „Euer Dorf habt ihr gebaut wie eine Schlange, alles nebeneinander, - so soll es denn auch Schlangendorf heißen!"

Dorfplan von Schlangendorf in den Jahren 1926/27
Dorfplan von Schlangendorf in den Jahren 1926/27

 

Da der Boden in Schlangendorf besser war als in den anderen Nachbarkolonien, erreichten sie bald einen höheren Lebensstandard als ihre Nachbarn.

Kirche in Schlangendorf um 1920
Kirche in Schlangendorf um 1920

Wie auch in Altschwedendorf, Mühlhausendorf und Klosterdorf litten zahlreiche Einwohner unter Malaria und Ruhr. Beide Erkrankungen traten immer wieder epidemisch auf, wobei die Zahl der Opfer schwankte. 1808 lebten In Schlangendorf 19 Familien2.

1912 gab es im Ort ein Bethaus und eine 4-klassige Volksschule. Es bestand der übliche Schulzwang. Bei unentschuldigtem Fehlen wurde eine Geldstrafe (3 Kopeken pro Tag) erhoben. Noch heute leben dort ungefähr 20 Deutschstämmige.

1915 wurde Schlangendorf mit Mühlhausendorf (Mychajliwka), Klosterdorf (Kostyrka) und Altschwedendorf (Staroschwedske) im Dorf Smijiwka vereinigt.

 

der Schwedenbezirk am Dnepr
der Schwedenbezirk am Dnepr

Nicht lange nach dem Abzug der deutschen Truppen im September 1918 wurde das Gebiet von der Nestor Machno angegriffen.

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1926 wurde die Tochterkolonie Friedenheim (Belajewka) von acht Siedlern aus Schlangendorf und Mühlhausendorf gegründet. Zwischen 1937 und 1939 wurden insgesamt 11 Einwohner (10 Männer, 1 Frau) aus Friedenheim verhaftet und deportiert.

 

Als das Dorf am 25. August 1941 von den Deutschen erobert wurde, wurden diese als Befreier begrüßt. Alle Einwohner, ob schwedischer oder deutscher Abstammung, wurden zu Volksdeutschen3 klassifiziert.

Umsiedlung
Umsiedlung

Mit dem Rückzug der deutschen Armee im Jahr 1943 wurde die deutschstämmige Bevölkerung der Nachbardörfer zusammen mit der schwedischen (rund 6.000) als Administrativumsiedler4 eva-kuiert. Die meisten kamen nach Krotoschin im Warthegau5, wo sie letztendlich doch von der Front eingeholt, unter sowjetische Besatzung kamen und als 'Vaterlandsverräter' und 'engste Kollaborateure des Naziregimes' repatriiert6 und dort in den Osten (Sibirien, Kasachstan) deportiert wurden.

Kirche in Schlangendorf heute; ach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die alte Kirche mit der Unterstützung der alten Heimatländer wieder aufgebaut
Kirche in Schlangendorf heute

Diejenigen, die sich zu den Alliierten (Briten, US-Amerikaner) "retten" konnten und den Kriterien des Jaltabkommens vom Februar 1945 entsprachen, wurden an die Sowjetunion ausgeliefert und ohne Rücksicht auf ihre individuellen Wünsche auf den Transport in Richtung Osten geschickt (zwangsrepatriiert).

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Anmerkungen

1Margarete Woltner: Die Gemeindeberichte von 1848 der deutschen Siedlungen am Schwarzen Meer, S. Hirzel Verlag, Leipzig, 1941

2 Die Familiennamen und Häusernummern der Einwohner von Schlangendorf: Becker (am End), Buch (7, 15), Dultz (9), Fahlmann (3), Hust (2), Klinkowitz (19), Kowalsky (13), Lang (6), Märtin (11), Mertin/Märten (1), Rüsto/Rischtow (17), Seif (12), Stabrok (16), Stüllp (18), Tomm (5), Vorbohl/Verpol (14), Weirschinski (10), Weis (8) und Wild (4).

3 Volksdeutsche = (bes. nationalsozialistische) Bezeichnung für die außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches und Österreichs ansässigen Personen deutscher Volks- und fremder Staatszugehörigkeit [besonders in ost- und südosteuropäischen Ländern bis zur Umsiedlung im 2. Weltkrieg (1940/1945) und der Vertreibung (1947)]. Wer in die Deutsche Volksliste aufgenommen worden ist, erhielt ein späteres Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit.

4 Man unterscheidet zwischen Administrativumsiedler und Vertragsumsiedler. Administrativumsiedler waren ca. 228.000 Volksdeutsche, die nach einer Anordnung der Militär- und Zivilverwaltung des Dritten Reiches in den besetzten Gebieten der UdSSR (Reichskommisariat Ukraine, rumänische Transnistrien) ohne einen zwischenstaatlichen Vertrag in den Jahren 1942-44 in den Warthegau oder ins Altreich umgesiedelt wurden. Fast alle von ihnen hatten bis Kriegsende die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen bekommen.

5 Die von 1939 bis 1945 als Warthegau oder Wartheland bezeichnete Region war vor dem Angriff Deutschlands auf Polen im September 1939 polnisches Staatsgebiet. Historisch gesehen bestand der Warthegau aus zwei Teilen, aus der westlich gelegenen ehemaligen deutschen Provinz Posen (vor 1919) und den östlich gelegenen polnischen (vor 1916 russischen) Gebieten um Lodsch. Im westlichen Teil (Provinz Posen) stellten die Deutschen zum Zeitpunkt der preußischen Volkszählung von 1910 rund 45 % der Gesamtbevölkerung.
Nachdem diese Provinz im Zuge des Versailler Vertrages 1919 von Polen annektiert wurde, sank die Anzahl der Deutschen in diesem Gebiet rapide ab, so dass diese zu Beginn des Zweiten Weltkrieges weniger als 15 Prozent der Gesamtbevölkerung dieses Gebietes stellten. Der Grund für den Rückgang des deutschen Bevölkerungsanteils nach 1919 ist im Wesentlichen in der Politik der ethnischen Homogenisierung des nationalistischen polnischen Diktators Józef Piłsudski zu sehen. Dieser versuchte den Anteil der Deutschen massiv zu reduzieren, z.B. Massenausweisungen nach Deutschland, entschädigungslose Enteignungen von zumeist adligem deutschem Großgrundbesitz und Ansiedlung polnischer Kleinbauern, Schulpolitik (ausschließlich in polnischer Sprache) und einer Vielzahl von Diskriminierungen im öffentlichen Leben.
Von 1939 – 1941 wurden 280.606 ethnische Polen und Juden, die in Gebieten des Warthegaus oder Danzig-Westpreußens wohnten, ins Generalgouvernement Polen vertrieben, um Platz für die Deutschen zu schaffen.  Nach 1940 konzentrierte sich die NS-Politik zunehmend auf die Ansiedlung deutscher Bevölkerung im Warthegau.
Hierzu wurden eine Vielzahl von Volksdeutschen (Baltendeutsche, Wolhyniendeutsche, Bessarabiendeutsche, Buchenlanddeutsche, Dobrudschadeutsche, Ukrainedeutsche) aus dem Gebiet der Sowjetunion angesiedelt und fanden dort oft in Höfen und Häusern vertriebener Polen Unterkunft.

 1. Wohnsitz auf sowjetischem Territorium am 1. September 1939
2. nach der Konferenz von Jalta (11. Februar 1945, Tag der Unterzeichnung des Jalta-Abkommens) in westalliierte Hand geraten
3. am 22. Juni 1941 oder später dienstpflichtig in der Roten Armee
4. Gefangennahme in einer deutschen Uniform
5. Nachweis für Kollaboration
Die Kriterien 1. und 2. sollten verhindern, dass Angehörige der nach 1917 emigrierten Sowjetbürger von der Zwangsrepatriierung bedroht waren. Außerdem erkannten die Amerikaner wie die Briten die Annexion der Westukraine, West-Weißrusslands, Lettlands, Litauens und Estland durch die Sowjetunion von 1939/1940 nicht an und zählte folglich die 'Kinder' all dieser Staaten nicht als sowjetische Staatsbürger.
In den Augen Stalins galten alle sowjetischen Bürger, die sich während des Zweiten Weltkriegs aus welchen Gründen auch immer zeitweise außerhalb des UdSSR aufgehalten hatten als 'Vaterlandsverräter' und 'engste Kollaborateure des Naziregimes' und sollten dementsprechend behandelt werden.
Im Rahmen der Operation Keelhaul (engl. für Kielholen) wurden zwischen 1943 und 1947 rund zweieinhalb Millionen Menschen, die aus dem Gebiet der Sowjetunion stammten, von den Briten und den US-Amerikanern dorthin zurückgeschickt. Viele dieser Menschen kamen ums Leben, durch Selbstmord oder auch durch Hinrichtungen. Andere wurden, entgegen dem Versprechen wieder in der alten Heimat angesiedelt zu werden, in 'neue Ansiedlungsgebiete', vor allem nach Sibirien unf nach Kasachstan gebracht und dort in Sondersiedlungen oder Arbeitslager (Trudarmee) eingewiesen.
Das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 regelte die Repatriierung mit Artikel 135 (Die Kosten für die Repatriierung hat die internierende Partei zu tragen) dann völkerrechtlich.

6 Repatriierung = (lat. repatriare "ins Vaterland zurückschicken") Unter Repatriierung versteht man allgemein die völkerrechtliche Rückführung von Menschen durch den Aufenthaltsstaat und die Wiederaufnahme dieser Menschen durch den Heimatstaat. Nachdem 2. Weltkrieg kam es zu einer Repatriierungswelle von Russlanddeutschen aus Deutschland.
Gemäß den Vereinbarungen auf der Konferenz von Jalta unterzeichneten die westlichen Regierungen USA und Großbritannien am 11. Februar 1945 ein Abkommen mit der Sowjetunion, das eine Repatriierung sowjetischer Displaced Persons (DP) vorsah, die in der Obhut der Westalliierten waren. Nach dem SHAEF-Befehl sollten sie 'nach Identifizierung durch sowjetische Repatriierungsvertreter ''... ohne Rücksicht auf ihre individuellen Wünsche'' auf den Transport Richtung Osten geschickt werden.
Ein Kriterium von fünf möglichen musste dafür erfüllt werden.