Samuel E. Ljubarskij

Samuel E. Ljubarskij
Samuel E. Ljubarskij um 1906

Samuel E. Ljubarskij (russisch: Самуил Ефимович Любарский) wurde am 30. Dezember 1878 in Olexandrija im Oblast Kirovohrad geboren. 1904 heiratete er Sinaida Iosovna Boguslavskaia, von der er zwei Kinder bekam: Lea (*1905) und Abraham (*1910).
Nach dem Abschluss seines Agrarwissenschaftsstudium am Kiewer Polytechnischen Institut im Jahr 1907 lehrte Ljubarskij an der jüdischen Landwirtschaftsschule in Novopoltavka. 1911 wurde er Direktor der Schule und Leiter des Bauernhofes.

Am 28. Dezember 1918 drangen bewaffnete Räuber in die Schule ein und verwundeten Ljubarskij und seine Frau Sinaida Iosovna, die drei Tage später iIhren Wunden erlag. Ljubarskij heiratete viele Jahre später (1930) ein zweites Mal. Ljubarskijs zweite Frau war die Griechin Anna Georgievna (*1863).

Am 24. Juni 1919, während des Bürgerkrieges, unter dem Sonderkommando des Rote Armee-Offizier Ataman Grigoriew, verlor Ljubarskij im Pogrom von Olexandrija (geschätzte Opfer: 300-700) seine Eltern, seine Schwester und seinen Bruder.

1920 zog Ljubarskij nach Nikolajew, wo er eine Position im Gubernia Land Department übernahm. In dieser Funktion führte er neue Anbaumethoden ein, einschließlich der Fruchtfolge, die im Laufe der Jahre, in den Betrieben der Steppengebiete der Ukraine sich weit verbreitete.

Samuel E. Ljubarskij
Samuel E. Ljubarskij

Ljubarskijs Verbindung mit dem JDC (American Joint Distribution Committee) begann 1922 als Dr. Joseph A. Rosen, ein in Russland geborener amerikanischer Agronom und Direktor des JDC, Nikolaew besuchte. Ljubarskij kündigte seinen Job beim Volkskommissariat für Landmanagement, um als JDC Bevollmächtigter in der Ukraine und der Krim tätig zu sein.1926 wurde Ljubarskij stellvertretender Direktor der Agro-Joint2 und zog nach Moskau.

Ljubarskij arbeitete unter ständigem Verdacht und unterlag dem wachsamen Auge des sowjetischen Geheimdienstes (GPU). Im August 1930 wurde er im sogenannten 'Agronomenfall' zum ersten Mal verhaftet und in das Butyrka-Gefängnis in Moskau gesteckt. Mit den Klauseln 7 (wirtschaftliche Schädigung), 11 (konterrevolutionäre Tätigkeit) und 12 (Unterlassung einer Anzeige) des Artikels 58 des Strafgesetzbuches der Ukrainischen SSR wurde er angeklagt, versucht zu haben, ein bürgerlich-demokratisches Regimes zu etablieren.

In der Anklageschrift ist zu lesen, dass „Ljubarskij während seiner Arbeit beim Volkskommissariat für Landmanagement der Ukrainischen SSR eine Verbindung zu einer illegalen konterrevolutionären Organisation der Landwirte gehabt hatte, mit dem Ziel, die sowjetischen Behörden zu bekämpfen, die Regierung zu stürzen und eine bürgerliche Demokratie einzuführen. Belehrt durch die Organisation habe Ljubarskij wissentlich die Direktiven der Regierung bezüglich der Entwicklung und Stärkung des Sozialistischen Sektors verdreht und die Entwicklung und das Wachstum von starken Kulaken-Betrieben gefördert, die von der Organisation als ein entscheidender Faktor für den endgültigen Kampf um die Macht mit den sowjetischen Behörden betrachtet wurde."

Das Urteil wurde am 30. April 1931 durch die GPU ausgesprochen und entzog ihm das Recht für drei Jahre in 12 Städten der Sowjetunion zu leben. Er entschied sich für Kursk. Schon im November 1931 wurde er begnadigen und kehrte nach Moskau zurück, wo er in seiner Position als stellvertretender Direktor der Agro-Joint wieder eingesetzt wurde.

1932 begannen die sowjetischen Behörden, die immer misstrauischer gegenüber der amerikanisch-jüdischen Agro-Joint Organisation wurden, den Tätigkeitsbereich der Organisation in der Sowjetunion einzuschränken. Nach Meinung dieser Behörden hatte die Organisation, die bis zu diesem Zeitpunkt die einzige ausländische Organisation in der Sowjetunion war, Zugang zu Informationen, die als sensibel für die sowjetische Wirtschaft galten.

Am 27. März 1938 wurde Ljubarskij vom NKWD verhaftet. Er war einer der letzten Agro-Joint Direktoren, die verhaftet wurden. Ljubarskij wurde angeklagt „seit 1925 Spionage für Deutschland und seit 1926 für die Vereinigten Staaten“ getrieben zu haben und dabei „Agro-Joint Mitarbeiter für die Arbeit in sein Spionagenetzwerk“ angeworben zu haben und an einer „Verschwörung zur Ermordung sowjetischer Führer“ (Molotow, Kaganowitsch) beteiligt gewesen zu sein.

Für die Ermittler dauerte es drei Monate, Ljubarskij zu zwingen, eine an den Ermittlungsbeamten Gorelkin gerichtete kurze Erklärung zu schreiben, in der er 'zugab', dass ihn der Agro-Joint Direktor Joseph Rosen 1926 zu Spionageaktivitäten gegen die Sowjetunion angeworben hatte. Zu diesem Zweck hatte er angeblich Agro-Joint-Vertreter auf der Krim und in der Ukraine verwendet. Es gibt keine Informationen über den Verlauf der Verhöre, die folgten. Man weiß nur, dass einige von Lubarskys verhafteten Mitarbeiter gezwungen wurden, gegen ihn auszusagen.

Am 20. Juli war die Anklage formuliert. Ljubarskij wurde angeklagt:

a) als Agent deutschen und amerikanischen Geheimdiensten gedient zu haben und die Aktivitäten der Spionage-, Sabotage- und Terroristenorganisationen, die er gegründet hatte, geleitet zu haben,

b) diese Organisation im Lauf der Vorbereitungen zur Ermordung der Kameraden Molotow und Kaganowitsch geleitet zu haben und einige Sabotageakte im Falle einer Invasion der UdSSR durch ein kapitalistisches Land organisiert zu haben,

c) Sabotageakte gegen das ukrainische landwirtschaftliche System organiseirt zu haben,

d) Zionisten und Kleriker mit antisowjetischen Ansichten, finanziell unterstützt zu haben,

d.h. Aktivitäten, die mit dem Artikel 58 Klausel 6 (Spionage), 7 (wirtschaftliche Schädigung), 8 (Verübung von Terrorakten gegen Vertreter der Sowjetmacht) und 11 (konterrevolutionäre Tätigkeit) des Strafgesetzbuches der Ukrainischen SSR übereinstimmten.

Ljubarskij bekannte sich für alles, außer für Organisation von Sabotage- und Terrorakte, schuldig. Am 1. September 1938, in einem fünfzehnminütigen Geheimprozess, ohne Anwalt und ohne irgendwelche Zeugen, wurde Ljubarskij zum Tode durch Erschießen durch das Militärkollegium des Obersten Gerichtshofes der UdSSR unter Beschlagnahme der persönlichen Gegrauchsgegenständen verurteilt. Das Gericht berücksichtigte seine Gnadengesuche nicht. Das Urteil wurde noch am selben Tag vollstreckt. Ljubarskij wurde im Butowo Friedhof in Moskau beigesetzt.

siehe > Opfer des politischen Terrors in der UdSSR

 

Ljubarskij wurde am 13. Oktober 1959 wegen 'Fehlen des Corpus Delicti' durch eine Entscheidung des Militärkollegiums des obersten Gerichts der UdSSR offiziell für "rehabilitiert" geklärt. Die Begnadigung für seine erste Verhaftung im Jahr 1930 kam erst 1989.

 

1 Quelle: Michael Baizer: Samuil Lubarsky: Portrait of an Outstanding Agronomist, East European Jewish Affairs, Vol. 34, #1, summer 2004, pp. 91-103.

2 Agro-Joint (American Jewish Joint Agriculture Corporation) entstand 1924 durch ein Abkommen zwischen dem American Joint Distribution Committee (kurz JDC) und der sowjetischen Regierung unterzeichnet.
Agro-Joint Agronomen halfen Kolonisten in fortgeschrittene Methoden der landwirtschaftlichen Arbeit zu unterrichten. Zwischen 1924 und 1938 half Agro-Joint mehr als 150.000 Juden, das Land neu zu besiedeln. Dabei wurden mehr als 250 Landwirtschaftskooperative in der Ukraine und der Krim gegründet.
Die Arbeit von Agro-Joint war unter ständigem Verdacht und unterlag dem wachsamen Auge des sowjetischen Geheimdienstes (GPU). 1938 wurde Agro-Joint verboten und musste seine Tätigkeit in der UdSSR aufgeben. Viele seiner führenden Mitarbeiter wurden verhaftet. Darunter die lokalen Stellvertreter von Moskau, Samuel Ljubarskij und Ezekiel Grower, die der Spionage beschuldigt und hingerichtet wurden.

 

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