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Die Auswanderung der Deutschen nach Russland

(Teil 1 von 2)

Katharina II. von Russland
Katharina II. von Russland

Die organisierte Einwanderung der Deutschen in Russland erfolgte über einen Zeitraum von über 100 Jahren (1763-1875) in mehreren Schüben und in ganz verschiedenen Gebieten des Russischen Reiches.

Begonnen hat diese Ansiedlung mit den Manifesten der Zarin Katharina II. von 1762 und 1763.

Die Wolgadeutschen

Zwischen 1763 und 1774 wanderten zirka 30.623 Menschen hauptsächlich aus den süd- und südwestlichen deutschen Kleinstaaten (Nordbayern, Baden und Hessen) aus. Unter den Auswanderern waren aber auch Personen aus der Schweiz, aus dem Elsass, aus Holland und aus Schweden.

Auswanderung
Auswanderer

Auf der beschwerlichen Reise per Schiff und über Land kamen viele ums Leben. Der Auswanderungsweg führte von Lübeck oder Hamburg über Danzig, Libau, nach Sankt Petersburg. Hier war ein Erfassungs- und Qua-rantänelager eingerichtet, Oranienbaum (heute: Lomonossow). Der weitere Weg ging meist über den Wasserweg bis ins Wolgagebiet. Dort erfolgte die weitere Verteilung auf die Siedlungsplätze.

Rund 25.000 Deutsche trafen an der Wolga bei Saratow ein, fanden jedoch Bedingungen vor, die überhaupt nicht ihren Vorstellungen vom "gelobten Land" entsprachen. Es gab weder die günstigen Verkehrsverbindungen noch die Häuser und Baumaterialien, die ihnen versprochen worden waren.

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Auswanderungsweg der Deutschen an die Wolga
Auswanderungsweg der Deutschen ins Wolgagebiet

 

Ein Teil der Einwanderer (zirka 416 Personen), wurde in der Nähe von Sankt Petersburg (Ingermanland, Jamburg) angesiedelt; die meisten jedoch (26.000) wurden für die Kolonisation der Wolgasteppen in der Nähe der Stadt Saratow bestimmt. Sie gehören zur Gruppe der Wolgadeutschen.

Die Strapazen der beschwerlichen Reise, die fast 2 Jahre dauerten, hatten viele Opfer gefordert. Es sollen nur etwa 23.200 Siedler angekommen sein, die 104 Kolonien gründeten. 75% der Siedler gehörten dem evangelischen (teils dem lutherischen, reformierten1) Glauben an. Der Rest war überwiegend katholisch.

Das böse Erwachen

Einladungsmanifest
Einladungsmanifest

Nach der Ankunft stellte sich heraus, dass eine ganze Reihe von Versprechungen des Manifestes der Zarin nicht erfüllt waren. So war das Land für die Kolonien noch nicht vermessen, von den versprochenen Häusern und Nebengebäuden stand noch kein einziges, an Baumaterial fehlte es ebenfalls. Die meisten Ankömmlinge mussten deshalb den ersten Winter in Saratow, in nahegelegenen Dörfern und zum Teil in primitiven Erdlöchern verbringen.

..... „Wo sind hier die Häuser, die ihr uns versprochen habt?" ...... „Wo das fruchtbare Land, das ihr uns vorgemalt habt?" ....... „Nichts als Betrug, gemeiner Betrug" ....

aus: Sebastian Bauer,
historischer Roman vom Wolgadeutschen Wilhelm Brungardt,
* 1908 in Herzog (Wolgagebiet) † 20.11.1990 in Nowosibirsk

 

Erdhütte
Erdhütte

Die Behörden hatten es versäumt, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ansiedlung zu schaffen. Diese Unzu-länglichkeiten führten dazu, daß die Kolonisten in den ersten Jahren zum großen Teil in Erdlöchern hausen mussten. Viele von ihnen wurden daher krank und starben.

 

Die ersten Jahrzehnte der Siedler waren geprägt von Armut, Missernten, die zu Hungersnöten führten und allgegenwärtiger Existenzangst.

In den Jahren 1800-1803 wurden die Kolonisten rechtlich besser gestellt. Beispielsweise wurde die deutsche koloniale Selbstverwaltung festgeschrieben und "Statthalter des Vertrauens" eingesetzt. Diese sog. Instruktionen für die innere Verwaltung führten dazu, dass sich auch die Wirtschaft positiv entwickelte. Nach rund 40 Jahren deutscher Einwanderung hatte sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt: Im Jahre 1815 lebten bereits über 60.000 Siedler in den Wolgakolonien.

deutsche Kolonien an der Wolga
deutsche Kolonien an der Wolga

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Anmerkungen

   1 reformierte Kirche (oft auch: evangelisch-reformierte Kirche): auf die Reformation Ulrich Zwinglis und Johannes Calvins (Calvinismus) zurückgehende Kirchengemeinschaften, die hauptsächlich in der Schweiz, in Schottland, in einigen Teilen Deutschlands, in Frankreich, in Ungarn und den USA (Presbyterianer) verbreitet ist.