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Das russische Zarenreich im 17. Jahrhundert unter Michail I.

(Teil 2 von 3)

Der 17-jährige Zar Michail überließ die Regierung zunächst Verwandten seiner Mutter, die sich um eine Restaurierung des zerrütteten Staatswesens und um den wirtschaftlichen Wiederaufbau des verwüsteten Landes bemühten.

Polnisch-Russischer Krieg 1609–1618
Polnisch-Russischer Krieg 1609–1618

Unter deren Führung schloss Russland endlich Frieden mit Schweden (1617) und mit Polen (1618).

Dieser Frieden musste jedoch von beiden Feinden teuer erkauft werden.

Um Nowgorod zurück-zuerhalten, musste Russ-land die schwedische Vormachtstellung in der baltischen Küstenregion im Frieden von Stolbowo (1617) hin-nehmen und Karelien und den größten Teil von Ingermanland an Schweden abtreten.

Die Polen dagegen schlossen im Vertrag von Deulino (1619) nur einen Waffenstillstand auf 14 Jahre. Russland musste den Polen die Festung Smolensk, das Tschernigower Land und die zum Fürstentum Nowgorod-Sewerski gehörenden Städte an der Desna überlassen, um den gefangenen Vater Michails, Philaret1, die Rückkehr zu ermöglichen. Außerdem konnte somit der polnische Anspruch auf den Zarentitel abwehrt werden.

Fjodor Nikititsch Romanow als Philaret
Fjodor Nikititsch Romanow als Philaret

1619 kehrte Michails Vater Philaret1 aus polnischer Gefangenschaft nach Russland zurück, wurde Patriarch von Moskau und Mitregent seines Sohnes. Ihm lag sein Vater-land sehr am Herzen und für den jungen Monarchen war die staatsmännische Erfah-rung Philarets unentbehrlich, der bis zu seinem Tod im Jahr 1633 alle Fäden der Moskauer Politik in seiner Hand hielt.

Zum Patriarchen erhoben, hatte er eine so mächtige Stellung inne, dass alle offiziellen Entscheidungen und Befehle im Namen "des Zars und des heiligen Patriarchen" erlassen wurden und er den Titel "Großer Herr" führte.

Andreas Winius
Andreas Winius

 

Für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg wurden die in Russland verbliebenen sowie durch Privilegien neu gewonnene Ausländer herangezogen, die als Facharbeiter und Kapitalgeber fun-gierten.

1632 enstand durch den Holländer Andreas Winius ein durch Wasser betriebenes Wasserwerk zur Her-stellung verschiedener gusseiserner Gegenstände. 1644 entstanden mit finanzieller Hilfe des Dänen Peter Marselius und des Holländers Thielemann die ersten Eisenwerke.

Zar Michail erkannte, dass es notwendig sei, bei den Ausländern in die Schule zu gehen, um gegen das Ausland Stand halten zu können und bildete Kompanien ausländischer Söldner.

Russische Schützen (1613)
Russische Schützen (1613)

Um die organisatorische und tech-nologische Rückständigkeit auf militärischem Gebiet zu überwinden, wurden ganze Truppenverbände im Ausland angeworben. Viele Offiziere und Soldaten blieben in Russland als Instruktoren und bekamen dafür das Recht auf Ländersitz und andere Belohnungen.

Mit diesen Bedingungen wurde z.B. der Obrist Alexander Lessli 1631 nach Schweden, Dänemark, England und Holland geschickt, um ein Korps von nicht weniger als 5.000 im Kriegshandwerk erfahrene und tüchtige Männer aufzustellen und nach Russland zu führen. Bemerkenswert ist allerdings die ihm gegebene Vorschrift:

... auf keine Fall Franzosen oder solche Soldaten, die Soldaten, welche der römisch-katholischen2 Kirche angehörten, anzuwerben.

aus: Moritz Conrad Posselt: Der General und Admiral Franz Lefort, Frankfurt am Main, 1866;

 

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bildeten die nach ausländischem, d.h. nach westlichem Vorbild organisierten russischen Regimenter bereits den Hauptteil des Moskauer Heeres. Sie wurden hauptsächlich zur Verteidigung der von den Feinden stets bedrohten Grenzen benutzt.

Minenarbeiter
Minenarbeiter

Durch mehrere Werbe-aktionen wurden neben Militärs auch Ärzte, Kauf-leute. Bergwerk-fachleute, Goldarbeiter, Gerber von Elenshäuten und Handwerker aller Art zur Einwanderung bewegt. Dadurch vermehrte sich die Zahl der Ausländer in der deutschen Vorstadt von Moskau wieder. Die Anzahl der Ausländer war während der letzten Bürger-kriege und der Polnisch-Russischen Kriege (1609 - 1618) stark zurückgegangen; Hass und Verachtung der russischen Bevölkerung gegen alle Lateiner aber gestiegen.

die deutsche Vorstadt die Deutschen in Moskau

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Anmerkungen

1 Philaret = bürgerlicher Name: Fjodor Nikititsch Romanow (* um 1553; † 11. Oktober 1633). Philaret war der Sohn des Nikita Romanow († 1586) und der Eudokia Gorbaty-Schuiski. Philarets Vater, Nikita Romanowitsch, war der Bruder von Anastasia Romanowna, die 1547 Zar Iwan IV. heiratete und 1560 starb. Das machte Philaret zum Cousin des Zarewitsch Dmitri (der von seinem Vater erschlagen wurde) und auch zum Cousin von Zar Fjodor I. Nachdem er 1598 im Machtkampf um den Zarenthron unterlegen war, wurde er von Boris Godunow 1601 gezwungen, ins Kloster zu gehen und das Mönchsgelübde abzulegen, wo er den Namen Philaret (auch Filaret) annahm.
Unter der Herrschaft des Pseudodmitrius I. kehrte er 1605 nach Moskau zurück und wurde in den Jahren 1606–1610 Metropolit von Rostow und Jaroslawl. 1606 beteiligte er sich am Sturz des ersten Pseudodimitri. 1608 geriet er in die Gefangenschaft des Pseudodimitris II. 1610 erfolgte seine Rückkehr nach Moskau, wo er maßgeblich am Sturz Wassilis IV. Schuiski mitwirkte. Zu diesem Zeitpunkt setze sich Philaret dafür ein, einen ausländischen Fürsten auf den Zarenthron zu berufen. In diesem Sinne verhandelte er mit Polen über eine Kandidatur Sigismunds III. Im Zusammenhang mit seiner Weigerung, die Bedingungen der polnischen Seite anzunehmen, wurde Philaret festgenommen und 1611 nach Polen deportiert.

2 Die Abneigung und der Hass der Russen gegen die Katholiken ging auf die Zeit der Wirren und der polnischen Intervention zurück.
Unter dem Einfluss der griechisch-orthodoxen Kirche betrachteten die Russen allmählich alles, was aus Westeuropa kam, als ketzerisch und lehnten es daher kategorisch ab. Sogar die schlichte Nachahmung des westlichen Lebensstils, in Kleidung oder in der Einrichtung der Häuser wurde als Loslösung vom wahren Glauben angesehen. Jeder Kontakt mit dem spirituellen Leben des Westens war daher strengstens verboten. Die enge Beziehung zu Byzanz hatte das russische Volk nach und nach mit antieuropäischen Vorurteilen "geimpft". Die lange Abneigung gegen die "lateinische Welt" (römisch-katholisch) beseitigte vom russischen Entwicklungsprozess die literarischen und philosophischen Strömungen des Westens.
Mit dem griechisch-orthodoxen Ritus nahmen die Russen von Byzanz natürlich auch die Grundformen der Architektur, der Malerei und der Mosaikkunst an. Die westliche Gotik hatte in Russland keine Spuren hinterlassen. Da jede Abweichung von den Mustern Konstantinopels als Beleidigung der Orthodoxie ausgelegt werden und den Verdacht der Ketzerei und der Gotteslästerung wecken konnte, hielten sich die russischen Künstler im Allgemeinen an die Nachahmung der byzantinischen Meister, ohne es zu wagen diese starre Tradition zu brechen und ihre eigene schöpferische Kraft auszubreiten.  
Durch das Verwenden des Kirchenslawisch im Dienste Gottes mussten die Geistlichen kein Latein und Griechisch erlernen, was unmöglich machte, Russland an der geistigen Bildung zu beteiligen, das wiederum zu einem engstirnigen geistigen Horizont führte.In diesem Zusammenhang ist auch wichtig zu erwähnen, dass in der russischen Schrift nicht das lateinische Alphabet eingeführt wurde, sondern das kyrillische.