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Das Hansekontor Peterhof in Nowgorod

Hanse

Im 12. Jahrhundert nahm die Hanse1 Kontakte zu russischen Städten, wie Pskow (Pleskau), Polazk (Polotzk) und Weliki Nowgorod auf.

In Nowgorod wurde das Hansekontor Peterhof eröffnet, das erstmals in einem Vertrag von 1192 erwähnt wurde. Es war die erste dauerhafte Ansiedlung von Deutschen im Reich der Russen. Jahrhundertelang öffnete der Peterhof der Hanse das Tor zum Osten und Nowgorod zum Westen.

Der deutsch-russisch-gotländische Vertrag von 1192 garantierte dem Landesherrn freien Handel, rechtliche Sicherheit und Verkehrsanbindung, dafür wurde er am Gewinn beteiligt.

Das Nowgoroder Hansekontor gab sich eine eigene Satzung, die nach dem Aufbewahrungsort des Dokuments Schra (Schrein) benannt wurde. Sie enthielt detaillierte Anweisungen zur Führung des Kontors unter einem Oldermann und vier "Weisesten" und zur Aufsicht über die Liegenschaften sowie Regelungen der Aufenthaltsdauer der Sommer- und Winterfahrer und des Warenumsatzes.

Der Oldermann war für alle Rechtsangelegenheiten zuständig. Er hatte gerichtliche Funktion, vertrat das Kontor gegenüber den Nowgorodern und berief die Versammlung, den Steven ein. Er ernannte vier Ratsherren als Helfer.

650 Jahre Städtehanse
650 Jahre Städtehanse

Der Peterhof war im Besitz der Deutschen. Laut der Kontorordnung hatten seine Bewohner eine bestimmte Königssteuer zu zahlen.

Der Peterhof lag auf einer Anhöhe auf der östlichen Seite des Wolchow-Flusses, der sogenannten Handelsseite. Zum Hof gehörten zahlreiche hölzerne Wohnhäuser, Kaufläden und Lagerschuppen, sowie eine Bäckerei, ein Brauhaus, eine Krankenstube, ein Bad und ein Gefängnis.

Kontor der Hanse
ein Kontor der Hanse

Das Zentrum des mit starken Holzpfählen gesicherten Geländes bildete die katholische St. Peterskirche aus Stein. Aufgrund seiner Feuerfestigkeit wurde die Kirche als Lagerraum für wertvollere Handelsgüter, der Hofkasse und des Kontorarchivs verwendet, da sie abends von außen abgeschlossen wurde. Zwei Männer, die sog. „Kirchenschläfer“, wurden als Wachen eingeschlossen, die aber nicht Brüder oder Mitglieder derselben Handelsgesellschaft sein durften.

Die Kirche durfte wie auch die Warenlager von den russischen Kaufleuten nicht betreten werden, damit diese keinen Blick auf die Waren werfen konnten. Es war auch verboten, mit russischen oder anderen Kaufleuten einen Vertrag einzugehen. Den russischen Kaufleuten durften Warenproben nur gezeigt werden. Es war ihnen nicht gestattet, das Tuch nachzumessen.

Kaufleute
Der Kaufmann war auch Seemann.
Der Kaufmann war auch Seemann

Der Kaufmann war zugleich auch Seemann. Er begleitete seine Ware, und verkaufte (tauschte) sie am Zielort. Oft teilten sich mehrere Kaufleute ein Schiff und schlossen sich in den Städten zu Gilden zusammen. Daraus ergab sich die Einrichtung gemeinsamer Kontore (Höfe) in den Städten der Handelspartner.

Die hansischen Kaufleute durften nur einmal im Jahr für maximal ein halbes Jahr als Sommer- oder Winterfahrer nach Nowgorod kommen. Die Winterfahrer nahmen ab Herbst den Weg über die Flüsse und überwinterten im Kontor in beheizten Holzhäusern.

Kogge, das Segelschiff der Hanse
Kogge, das Segelschiff der Hanse

Das Reisen in Russland war eine beschwerliche und nicht immer ungefährliche Angelegenheit. Die Wege führten über Wasser und Land, häufig über die Ostsee und das Baltikum.

Über die Newa, den Ladogasee und den Fluss Wolchow, wo die Güter auf Flussschiffe umgeladen erreichten sie Nowgorod, das die Kauffleute mit der Eisschmelze wieder verließen. Die Sommerfahrer, die daraufhin am Nowgoroder Kontor eintrafen, hielten sich wesentlich kürzer auf.

Winterfahrer
Winterfahrer

Ein Verbleiben über die Saison hinaus war ebenso verboten wie das Mitbringen von Frauen. Man wollte ein „Festwohnen“ verhindern.

Neben den "Wasserfahrern" gab es auch die "Landfahrer", die aus Livland mit Pferdeschlitten und -wagen, sowie Flussbooten nach Nowgorod kamen.

Während des 14. und 15. Jahrhunderts hielten sich bis zu 200 Deutsche gleichzeitig in Nowgorod auf.

Einbaum - ein Flussboot
Einbaum - ein Flussboot

Aus dem Westen kamen v.a. Metallwaren, Tuche, Salz, Wein; aus Nowgorod waren es Pelze, Honig, Wachs, Pottasche, Holz und Holzkohle, Fische und Bernstein, die in den Westen transportiert wurden.

1478 wurde Nowgorod durch Iwan III. von Moskau aus erobert. Auf seinen Befehl besetzten im Jahr 1494 russische Soldaten den Peterhof, nahmen 49 Kaufleute gefangen und beschlagnahmten die Waren, was einer Schließung gleichkam. Als Grund wurde die Ermordung russischer Kaufleute 1494 in Livland angegeben. Nach Jahren der Verhandlung wurden beinahe alle in Nowgorod Gefangenen im März 1497 freigelassen, aber der Peterhof blieb geschlossen.

Erst 1514 wurde der Peterhof wieder eröffnet, erlangte aber nie wieder die alte handelspolitische Bedeutung.

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Anmerkungen

1 Hanse = Organisation von niederdeutschen Fernkaufleuten , der rund 70 große und 100 bis 130 kleinere Städte angehörten. Diese Städte lagen in einem Gebiet das heute sieben europäische Staaten umfasst. Ziel der Hanse war die Sicherheit der Überfahrt und die Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen besonders im Ausland.
Vom 13. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts beherrschte die Hanse weitgehend den Fernhandel des nördlichen Europa, konnte aber nie eine Monopolstellung erringen. Die hansischen Kaufleute versorgten West- und Mitteleuropa mit den Luxuswaren, Nahrungsmitteln und Rohstoffen des nördlichen und östlichen Europa. Hierzu gehörten z.B. Pelze, Wachs, Getreide, Fisch ebenso Flachs, Hanf, Holz und Holzbauprodukte wie Pech, Teer und Pottasche. Im Gegenzug brachten die Hansekaufleute in diese Länder die gewerblichen Fertigprodukte des Westens und Südens wie Tuche, Metallwaren, hier insbesondere Waffen, und Gewürze.
Zentrale Umschlagsplätze dieses Handels waren die Kontore der Hanse in Novgorod in Nordwestrussland (St. Peterhof), in Bergen in Norwegen (Deutsche Brücke), in Brügge in Flandern und in London in England (Stalhof).