Die Deutsche Ostsiedlung
(Teil 6 von 9)
18. Jahrhundert
Maria Theresia
Im Gegensatz zu der Karolinischen Ansiedlung, die weitgehend von den Landesherren organisiert wurde, ist die Theresianische Ansiedlung, unter Maria Theresia, das Werk des Österreichischen Hofs.
Nach dem Belgrader Frieden (1739), der den 7. Österreichischen Türkenkrieg beendete war das Banat wieder unmittelbares Grenzland.
Unter Maria Theresia kam es in den Jahren 1746-1752 und 1763-1772 zu einer erneuten Ansiedlung des Banats (Banater Schwaben1).
Weitere Siedlungsaktionen wurden in der Batschka2 (etwa 1748‒70 und 1784‒87), in Ostgalizien3 (seit 1781) und danach in der Bukowina4 (1774-1786) durchgeführt.
Ostgalizien, Bukowina und Batschka in Mitteleuropa vor dem 1. Weltkrieg
Kirchweihzug der Banater Schwaben in Giseladorf
Maria Theresia siedelte rund 50.000 deutsche Siedler an. Die meisten stammten aus ärmeren Bauern-familien, die ohne eigenen Grundbesitz und ohne Kapital in ihrer Heimat wenig Chancen hatten.
Das Habsburgerhaus gewährte den einreisenden Siedlern Privilegien, wie finanzielle Unterstützung und langfristige Steuererleichterungen.
Stefan Jäger: Der große Schwabenzug
Als Gegenleistung wurden die Siedler dazu verpflichtet, im Falle eines osmanischen Angriffskrieges zur Waffe zu greifen.
1 Banat =
Landstrich in Südosteuropa, der sich im Dreiländereck Ungarn-Serbien-Rumänien
befindet und von der Marosch im Norden, der Theiß im Westen, der Donau
im Süden und den westlichen Ausläufern der Süd-Karpaten im
Osten begrenzt wird.
In der Antike war das Banat Teil des Königreichs Dakien und später
nach den Trajan-Kriegen Teil der römischen Provinz Dacia. Während der
Awarenzeit im 5. und 6. Jahrhundert siedelten sich Slawen in der Region an. Jahrhunderte
später fiel das Banat an das Königreich Ungarn. Die Osmanen eroberten
es 1526 und hielten es mehr als 160 Jahre besetzt, als es 1718 an Österreich
fiel und bis zum Ersten Weltkrieg Teil Österreich-Ungarns blieb. Am 21.
Juni 1919 wurde das Banat dreigeteilt. Gemäß dem Vertrag von Trianon
fielen mehr als 60% an Rumänien, mehr als 30% an das Königreich Jugoslawien
und zirka 1% verblieben bei Ungarn.
Die katholischen Vorfahren der Banater Schwaben sind vor fast 300 Jahren aus
verschiedenen Teilen Süddeutschlands in das nach den Türkenkriegen
fast entvölkerte Banat ausgewandert. Die Mehrheit der Siedler kam aus Franken,
Bayern, Österreich, Elsaß-Lothringen, Luxemburg, aus dem Rheinland
und aus der Pfalz. Auch kleinere Gruppen aus Mitteldeutschland sind nachweisbar.
Nur ein kleiner Teil stammte aus dem Schwäbischen.
Warum sich trotzdem die Benennung "Schwaben" durchsetzen konnte, ist
nicht geklärt. Wahrscheinlich ist es dem Umstand zu verdanken, dass die
Mehrheit der Auswanderer in der schwäbischen Stadt Ulm registriert und eingeschifft
wurde und mit den so genannten „Ulmer Schachteln“ auf der Donau bis
Belgrad transportiert wurde, um von dort in die Bestimmungsorte gebracht zu werden.
Die Besiedlung des Banats fand in mehreren Etappen statt und war eine großangelegte,
systematische und bis ins Detail geplante Aktion der österreichischen Verwaltung.
Dörfer, Städte und Straßen wurden auf dem Reißbrett entworfen
und widerspiegelten in ihrer Symmetrie die damalige absolutistische Baukultur.
Die Ansiedler fanden das Banat als nahezu menschenleere, von Wäldern durchzogene
Sumpflandschaft vor. Entscheidend für das Gelingen der Ansiedlung im Banat
war die Eindämmung der Sümpfe durch die Kanalisation der Bega. Der
gewonnene Ackerboden erwies sich als äußerst fruchtbar und begründete
den Wohlstand der Banater Schwaben im 19. Jahrhundert. Der Landstrich galt als
Kornkammer Österreich-Ungarns. Die Festung Temeswar wurde zur blühenden
Stadt und zum kulturellen Zentrum der Banater Schwaben.
2 Batschka = Teil der Ungarischen Tiefebene zwischen Donau und Theiß; seit 1919 gehörte es zum Königreich Jugoslawien, heute gehört es zur serbischen Vojvodina (zusammenfassende Bezeichnung für die im serbisch-ungarisch-rumänischen Grenzraum liegenden Landschaften Banat, Batschka und Sirmien.)
3 Ostgalizien
= das nördliche Karpatenvorland zwischen der oberen Weichsel und der Bukowina.
Der Name Galizien knüpft an das Fürstentum Halitsch (Galitsch) an, das
sich im 11. Jahrhundert vom Kiewer Reich löste. 1349 kam das Gebiet
nördlich der Karpaten und östlich des Flusses San an Polen. Bei
der 1. Polnischen Teilung 1772 fiel es zusammen mit dem kleinpolnischen
Gebiet südlich von Weichsel und Wisłoka als Königreich Galizien
und Lodomerien an Österreich; dieses gesamte Gebiet hieß seit
1795 Ostgalizien. Die in der 3. Polnischen Teilung 1795 von Österreich
erworbenen Gebiete bis zum Bug und zur Pilica, Westgalizien genannt,
kamen an das Herzogtum Warschau, 1815 an Kongresspolen. - Das
historisch überwiegend
von Ukrainern bewohnte östliche Galizien wurde 1919 wieder Polen einverleibt,
nachdem dort kurze Zeit eine Westukrainische Volksrepublik existiert
hatte. Seit 1939 ist dieses neuerdings gleichfalls Ostgalizien genannte
Gebiet ein Teil der Ukraine. Als Westgalizien bezeichnet man heute das
polnische Nordkarpatenvorland.
4 Die Bukowina gehörte 1775-1918 zu Österreich, dann zu Rumänien. Die Nord-Bukowina kam 1940 zur Sowjetukraine, gleichzeitig wurden die rund 80.000 Bukowinadeutschen ausgesiedelt.