Jung-Stilling
und seine endzeitlichen Vorhersagen

(Teil 2 von 4)

Johann Heinrich Jung-Stilling
Johann Heinrich Jung-Stilling

johann Heinrich Jung-Stilling sah es als seine ihm von der göttlichen Vorsehung über-tragene Aufgabe an, die Menschen seiner Zeit auf die Zeichen der apokalyptischen Endzeit hinzuweisen und sie “Heim“, in die ewige Heimat bei Gott, zu führen, d.h. ihnen den von der Bibel gewiesenen “rechten“ Weg zu zeigen.

 

Albrecht Dürer: Das Sonnenweib und der siebenköpfige Drache
Albrecht Dürer: Das Sonnenweib und
der siebenköpfige Drache
(Offenbarung: 12, 1-63)

Dazu übernahm er das „Sonnenweib“ von Apo-kalypse 12, 11, das be-reits Bengel beschäf-tigt hatte, differen-zierte seine Inter-pretation allerdings von Bengels Ausle-gung: Jung-Stilling sah in dem „mit der Sonne bekleideten Weib“, das von Osten, also vom Morgenland beleuchtete Weib, das vor dem Drachen auf den „zwei Flügeln des Adlers“ (12, 142), dem Symbol für Russland, in die Wüste, der Stunde der Erlösung flieht. Der Antichrist dagegen steigt aus dem Meer, erscheint demnach im Westen (13,13).

Nach Jung-Stilling war die Kirche aus dem Osten in den Westen gekommen und hier entartet und verfallen. Ihre Rettung liege also in der Heimführung in den Osten, irgendwo hinter Samarkand im heutigen Usbekistan, wo alle Gläubigen bis zur Wiederkunft Christis Schutz finden sollten. In Anlehnung an den altgriechischen Namen Ἱεροσόλυμα (Ierosolyma) für Jerusalem, nannte Jung-Stilling das Land im Osten, bei Smarkand, Solyma4.

Lage von Usbekistan auf der Erde
Lage von Usbekistan auf der Erde

Wo dieser Ort zu finden sei, blieb allerdings ungewiss. Jung-Stilling gab dafür Hinweise in seinem in den Jahren von 1794 bis 1796 veröffentlichten 4-teiligen allegorischen Schlüsselroman “Das Heimweh und der Schlüssel zu demselben", der rasch vergriffen war, 1800 neu aufgelegt wurde und sich zu einem Bestseller entwickelte.

Darin beschreibt er die „Landschaft Solyma“ folgendermaßen: es erstrecke sich in Form eines länglichen Vierecks von weniger als 200 Quadratmeilen von Norden nach Süden, sei von unüberwindlichen Gebirgen umgeben und böte 100.000 Familien Platz zum Aufenthalt.

Tartaren und Kalmücken
Tartaren und Kalmücken

In diesem Land soll der Romanheld Christian von Ostenheim, eine heimwehkranke Seele, der spätere Fürst Eugenius von Solyma, für die verfolgte Christenheit ein Reich des Friedens und des Heils gründen, das die wahren Christen aus aller Welt vereint. Dazu würde der Fürst von Solyma das Land in vier gleiche Teile aufteilen, so dass sich die 100.000 Familien geprüfter Christen, die sich bei Samarkand gesammelt hätten, in vier gleich große Gemeinden aufteilen. Das Los bestimmte das Ostviertel für die „Parsen-Gemeinde“ (Perser), das Südviertel für die „Ußbecken oder Israeliten“, das Nordviertel für die Japhiten, d.h. für die „Russen, Samojeden, Kalmücken, Kosacken und Tartaren“, und schließlich das Westviertel für die Abendländer.

Gemeinsam erwarten die Erweckten in Solyma, wo sie eine landwirtschaftliche Siedlung aufbauen, die Ankunft Christi und den Beginn des wahren Gottesreiches.

 

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1 Offenbarung 12,1: Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf goldenen Sternen.

2 Offenbarung 12, 14: Und es wurden dem Weibe zwei Flügel gegeben wie eines Adlers, daß sie in die Wüste flöge an ihren Ort, da sie ernährt würde eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit vor dem Angesicht der Schlange.

3 Offenbarung 13, 1: Und ich trat an den Sand des Meeres und sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern Namen der Lästerung.

4 Solyma ist wahrscheinlich die Verkürzung von Hierosolyma (Jerusalem) und ist somit die griechische Version des hebräischen Schalom, d.h. Frieden, Heil