Der Calvinismus in Europa

(Teil 2 von 2)

Der Calvinismus in den Niederlanden

In den Niederlanden verdrängte der Calvinusmus Lutheraner und Täufer2, wobei er sich, im Gegensatz zum Luthertum, weniger auf die Landesfürsten als vielmehr auf das Bürgertum stützte.

Der Calvinismus in England

Wachsstatue von John Knox im St. Andrews-Schloss in Schottland
Wachsstatue von John Knox
im St. Andrews-Schloss in Schottland

Sehr früh, unter König Eduard VI., gelangte der Calvinismus auch nach England und insbesondere nach Schottland (John Knox), doch ab 1553 unter Maria Tudor, die „Blutige“ genannt, gewann die katholische Kirche wieder die Oberhand und drängte den Calvinismus in die Opposition.
Die Lage der calvinistischen Fremdengemeinden in England verschlechterte sich schlagartig. Es begann eine Politik, die Protestanten unter dem Vorwand des Hochverrats dem Henker auszuliefern.
Die Häupter der Fremdengemeinden und die Gemeinden selbst mussten sich vor der nun eintretenden Verfolgung durch Flucht entziehen.
Bekannt ist, dass während Marias fünfjähriger Regierung, von 1553 bis 1558, 288 Protestanten auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.

John Foxes Acts and Monuments: Thomas Cranmers Verbrennung, 1556
John Foxes Acts and Monuments: Thomas Cranmers Verbrennung, 1556

Erst unter der protestantischen Elisabeth I. kehrten viele der geflüchteten englischen Protestanten wieder nach England zurück.

Der Calvinismus in Ungarn

Große Reformierte Kirche in Debrecen (Ungarn)
Große Reformierte Kirche in Debrecen

Bereits im Jahre 1523 wurden Ulrich Zwinglis Schriften auch in Ungarn bekannt. Praktisch jedes theologische Buch, das in Zürich gedruckt wurde, konnte schon einen Monat nach Erscheinen in Ungarn gelesen werden.

Die Reformierten in Ungarn gehörten hauptsächlich der mittelbäuerlichen Schicht an. Damals vollzog sich eine Rückentwicklung vom Ackerbau zur intensiven, fast nomadisierenden Viehzucht.
Die ungarischen Rinder wurden ein wichtiges Importgut auf die deutschen und österreichischen Märkte. Diese Viehzüchter und -händler waren reformiert1 und lebten in den großen Agrarstädten wie Debrecen, Kekskemet und Nagykörös. Man schätzt, dass Ungarn in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zu 80 bis 90% reformiert1 war.

Der Calvinismus in Polen

In Polen wurde das reformatorische Gedankengut aus Zürich und Genf erst ab Ende der 1540er Jahre in größerem Umfang bekannt als Calvins Briefpartner, der Aristokrat Johannes a Lasco (1499- 1560), dessen Kirchenordnung in Polen umsetzten wollte.

Heinrich Bullinger
Heinrich Bullinger

Johannes Calvin und Heinrich Bullinger entwickelten eine klare Strategie, um Polen für die Reformation zu gewinnen. Der katholische König Sigismund I. ließ sich zwar nicht überzeugen, doch zahlreiche Adelige, vor allem in Kleinpolen, aber auch in Litauen schlossen sich (nicht zuletzt aus politischen Gründen) der Reformation an, so dass im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts der Calvinismus in Polen eine dominierende Kraft war.

Ab 1550 strömten Ausländer sowie Glaubens-flüchtlinge verschiedener Konfessionen und Sekten ins polnische Königreich, das nach Kardinal Hosius, päpstlicher Legat in Polen, im 16. Jahrhundert ein „Asyl der Häretiker" war.

Giorgio Biandrata
Giorgio Biandrata

 

In den 1560er und 1570er Jahren wandten sich viele Polen der antitrinitarischen Kirche zu (Sozinianer2). In Krakau, in Kleinpolen, fanden auch viele italienische Glaubensflüchtlinge Aufnahme, die wegen ihrer radikal-reformatorischen Ansichten zuerst aus Italien, dann auch aus der Schweiz vertrieben wurden.

Sie wirkten zuerst im geheimen, dem Schein nach als Calvinisten und in kurzer Zeit gelang es ihnen, ihre Ansichten nicht nur unter den Adeligen Polens, sondern selbst in dem benachbarten Siebenbürgen zu verbreiten. Mit der Gegenreformation3 ab 1587 flüchteten viele aus dem südlichen Polen nach Siebenbürgen, Brandenburg, den Niederlanden und England.

 

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1 reformierte Kirche (oft auch: evangelisch-reformierte Kirche): auf die Reformation Ulrich Zwinglis und Johannes Calvins (Calvinismus) zurückgehende Kirchengemeinschaften, die hauptsächlich in der Schweiz, in Schottland, in einigen Teilen Deutschlands, in Frankreich, in Ungarn und den USA (Presbyterianer) verbreitet ist.

2 Sozinianer = eine den Antitrinitariern zuzurechnende religiöse Bewegung in Polen, die nach den italienischen Humanisten Lelio Sozzini und dessen Neffen Fausto Sozzini benannt wurde. Als erster italienischer Antitrinitarier erschien 1549 Francesco Stancaro in Krakau, der „Prototyp des Aufwieglers”. Ihm folgten 1551 Lelio Sozzini, Giorgio Biandrata, Matteo Gribaldi, Giovanni Gentile, Gian Paolo Alciati, Nicolo Paruta, Bernardino Ochino und später Fausto Sozzini. Die Sozinianer lebten ein streng an der Bibel orientiertes pragmatisches Christentum und lehnten die kirchliche Lehre von der Trinität, der Inkarnation und den Sakramenten als dem Wort Gottes, und damit auch der Vernunft, widersprechend ab. Die Sozinianer, 1658 während der Gegenreformation aus Polen ausgewiesen, wandten sie sich v. a. nach Siebenbürgen, Brandenburg, den Niederlanden und England.

3 Die Gegenreformation war die gewaltsame Rekatholisierung protestantisch gewordener Gebiete im 16./17. Jahrhundert in Deutschland v. a. von 1555 bis 1648 (zuerst in Bayern). Die Gegenreforamtion führte als Teil der allgemeinen politischen Konfessionalisierung in den Dreißigjährigen Krieg und wurde durch den Westfälischen Frieden beendet. Wichtigste Bestimmungen in konfessioneller Hinsicht waren vor allem die Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens und des kirchlichen Besitz- und Bekenntnisstandes nach dem so genannten Normaljahr 1624 sowie die Anerkennung der Calvinisten (Reformierten) als Konfession.
Die Gegenreformation wurde auch wirksam in Spanien (Inquisition), im Achtzigjährigen Krieg der Niederlande, in Frankreich (Hugenottenkriege, Revokationsedikt von Fontainebleau 1685) und Polen (Sigismund III.).