Die Geschichte der Waldenser

(Teil 6 von 6)

Die Flucht der Waldenser

Ford Madox Brown: Cromwell, Beschützer der Waldenser
Ford Madox Brown:
Cromwell, Beschützer der Waldenser

hauptsächlich England unter der Regierung Oliver Cromwells verfocht die Sache des Protestantismus aus politischen Gründen. Cromwell versuchte seinen Einfluss zu verstärken und nahm sich den bedrängten Waldensern an.

Er schickte einen Gesandten nach Savoyen, dessen Einschreiten zum Erlass des "Gnadenpatents" am 18. August 1655 führte.
Es kam zu einer kurzen Ruhepause. Als sich die Lage Anfang der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts erneut zuspitzte, griffen deutsche Fürsten erneut zur Feder. Erst der Vertrag vom 14. Februar 1664 zwischen Karl Emanuel II. und der Waldenser Kirche leitete eine 20jährige Friedenszeit ein und machte weiteres Vorgehen ausländischer protestantischer Herrscher vorläufig unnötig.

Ludwig XIV.
Ludwig XIV.

Dass die Herrscher von Preußen, Hessen und der Kurpfalz aufrichtiges Interesse am Wohlergehen ihrer waldensischen Glaubensbrüder hegten, stellten sie zwei Jahrzehnte später erneut unter Beweis.

Im Juli 1685 untersagte König Ludwig XIV. im französisch besetzten Val Chisone die reformierte1 Konfession.

Dragoner, die auf seinen Befehl im September desselben Jahres im Val Pragelato und im Val Perouse einfielen, zwangen die protestantisch-reformierte Bevölkerung zur Annahme des katholischen Glaubens.

Der Aufhebung des Edikts von Nantes am 17. Oktober 1685 durch das Edikt von Fontainebleau, folgte am 31. Januar 1686 das Verbot des Protestantismus auch im Herzogtum Savoyen-Piemont.

Henri Arnaud führt die Waldenser aus ihrer Heimat
Henri Arnaud führt die Waldenser
aus ihrer Heimat

Französische Waldenser aus dem Chisonetal, die nicht konvertiert waren, hatten schon im Herbst die Flucht in die Schweiz und nach Hessen angetreten.

Die Mehrheit der savoyischen Waldenser leistete unterdessen unter der Führung ihres Pfarrers Henri Arnaud im Frühjahr 1686 verzweifelt Widerstand.

Die Kämpfe, die am 22. April begannen, endeten mit der Gefangennahme von nahezu 9.000 Waldensern. Den wenigen Unbesiegten gewährte Herzog Viktor Amadeus II. am 17. Oktober freien Abzug in die calvinistische Schweiz.

Sie erhielten das Versprechen, dass die waldensischen Gefangenen ihnen bald folgen dürften und dass die waldensischen Kinder, die man zu Erziehungszwecken in katholische Familien untergebracht hatte, ihren rechtmäßigen Eltern wieder zugeführt werden würden. Auf monatelangem Drängen der calvinistischen Schweizer Kantone erteilte der Herzog endlich Ende Dezember 1686, mitten im eiskalten Winter, rund 8.500 Freigelassenen den ersehnten Ausweisungserlass. Nur 2.565 von ihnen erreichten das sichere Genf.

Von der Schweiz aus, bemühten sich die Waldenser um ein Exil auch in deutschen Fürstentümern. Für kurze Zeit fanden sie Aufnahme in Brandenburg-Preußen, in Hessen, in der Pfalz und in Württemberg. Doch ihr Heimweh nach den vertrauten Alpentälern im Piemont war so groß, dass sie zurückkehrten.

Die Rückkehr der Waldenser und deren Ausweisung

Victor Amadeus II.
Victor Amadeus II.

Unter der Führung Pastors Henri Arnaud gelang es 1.000 Waldensern 1689 die Täler zurück zu erobern, mussten aber bereits 1698 die Heimat wieder verlassen, denn nach dem Frieden von Rijswijk2, der den Pfälzischen Erbfolgekrieg3 beendete, verstärkte Frankreich den Druck auf Savoyen, der den Herzog dazu verpflichtete, keine protestantischen Franzosen im Land und im Val Perouse (heute: Perosa Argentina) keine reformierten Gottesdienst zu dulden.

Am 1. Juli 1698 erließ Victor Amadeus II. ein Ausweisungsedikt für alle in Frankreich geborenen Reformierten. Davon betroffen waren auch die französischen Waldenser, die durch dass Edikt aus den Tälern vertrieben wurden. Nur die Waldenser piemontesischer Herkunft konnten bleiben.

Binnen zweier Monate mussten sie ohne die anfänglich versprochenen Lebensmittel das Land verlassen. Pfarrer Henri Arnaud eilte den Ausgewiesenen in die Schweiz voraus, um dort ihre Aufnahme vorzubereiten.

 

Die Waldenser in der neuen Heimat

Eberhard Ludwig, regierender Herzog zu Württemberg hat die ihres glaubendwegen vertriebenen Waldenser anno 1699 in seinem Lande aufgenommen. Zum Andenken an jene Zeit wurde dieser Stiftsgarten angelegt von einer Generalconsul von Georg II - Georgenau und seiner Gattin Sophie, Tochter des Finanzministers von Gärttner und mit dem Beistand der Herren Pfarrer Schnapper und Schultheissen Ayasse in Neuhengstett und des Herrn Altschultheissen Lauxmann in Möttlingen. 3. Mai 1881
Waldenserstein in Neuhengstett
in Baden-Württemberg

So kam es zu einer weiteren größeren Fluchtwelle, die zu zahlreichen Waldenseransiedlungen in deutschen Territorien um 1699 führte (Hessen (heute Mörfelden–Walldorf) und Baden-Württemberg (heute Pfinztal, Kreis Karlsruhe; Palmbach, Stadtteil von Karlsruhe).

Die reformierten Glaubensflüchtlinge trafen hier auf ein zerstörtes und entvölkertes Land: der Dreißigjährige Krieg4 (1618-1648) und der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688–1697) hatten mit Einquartierungen, Requirierungen, Zerstörungen, Seuchen und Hungersnöten einen großen Tribut an Menschenleben gefordert.

Der Herzog von Württemberg, Eberhard Ludwig, hatte also gute Gründe, es dem "Großen Kurfürsten" Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen gleichzutun, der sein Land gezielt mit Hugenotten "peuplierte". Schließlich bedeutete eine zahlreiche Bevölkerung für die Fürsten damals auch höhere Steuereinnahmen. Während die Hugenotten jedoch überwiegend Handwerker aus dem städtischen Bürgertum waren, handelte es sich bei den Waldensern um reine Ackerbürger.

Waldenserkirche in Neuhengstett
Waldenserkirche in Neuhengstett

Anfangs wurden die Waldenser von den Einheimischen als unwillkommene Eindringlinge betrachtet, vor allem auch wegen der französischen Sprache. Wenn man an die Verwüstungen der einfallenden französischen Truppen in den Jahrzehnten zuvor denkt, kann man dieses Verhalten aber auch verstehen.

 

Das Gebiet um die Waldensertäler gehört heute zu Italien. Als sie 1848 endlich die bürgerlichen Freiheiten erlangten, breitete sich die Waldenserkirche über ganz Italien aus.

 

Weltweit zählt die Waldenserkirche rund 50.000 Mitglieder, v. a. in Italien (rund 30.000) und Südamerika ("Iglesia Evangélica Valdense del Rio de la Plata" in Uruguay und Argentinien).

 

 

Waldenserkirche
Waldenserkirche

 

In Italien haben sich die Waldenser und die Methodisten 1979 zu einer gemeinsamen Kirche zusammen-geschlossen (Chiesa Evangelica Valdese).

In Rom besteht seit 1922 eine waldensische theologische Fakultät (die einzige evangelische Fakultät Italiens).

 

 

 

 

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1 reformierte Kirche (oft auch: evangelisch-reformierte Kirche): auf die Reformation Ulrich Zwinglis und Johannes Calvins (Calvinismus) zurückgehende Kirchengemeinschaften, die hauptsächlich in der Schweiz, in Schottland, in einigen Teilen Deutschlands, in Frankreich, in Ungarn und den USA (Presbyterianer) verbreitet ist.

2 Der Frieden von Rijswijk bendete den Pfälzischen Erbfolgekrieg mit dem Ergebnis, dass Frankreich auf die Kurpfalz verzichtete. Die ehemalige deutsche Reichsstadt Straßburg und das Elsass wurden aber dauerhaft dem französischen Thron zugestanden.

3 Der Pfälzische Erbfolgekrieg, auch Orléansscher Krieg genannt, war ein französischer Eroberungskrieg in der Region der Kurpfalz und großen Teilen Südwestdeutschlands. 1685, nach dem Tod des Kurfürsten der Kurpfalz Karl, ohne direkten männlichen Erben, erhob Ludwig XIV. Erbansprüche, da sein Bruder, der Herzog von Orleans, mit der Schwester des Verstorbenen verheiratet war.

4 Dreißigjähriger Krieg = Sammelbezeichnung für den europäischen Religions- und Staatenkonflikt, der aus dem konfessionellen Gegensatz im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und dem Gegensatz zwischen Habsburgermonarchie und Ständen entstand und auf deutschem Boden 1618-48 ausgetragen wurde. Deshalb sprach man im 17. und 18. Jahrhundert auch vom Teutschen Krieg, um den Raum zu charakterisieren, der millionenfachen Tod, Verwüstung und Barbarei erlitt. Die neuere Geschichtsschreibung deutet das Ganze als Krieg in Europa, weil sich in vielen Ländern Macht-, Religions- und Wirtschaftsprobleme gewaltsam entluden. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen in den Niederlanden, zwischen Polen und Schweden, Schweden und Dänemark, Frankreich und Spanien.
Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige vom Krieg betroffene Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich von dessen Folgen zu erholen.