Ignaz Lindl und die
Allgäuer Erweckungsbewegung

Ignaz Lindl
Ignaz Lindl

eEin weiterer tat-kräftiger Verbreiter der Allgäuer Er-weckungsbewegung war Ignaz Lindl, geb. 1774 in Baindlkirch, der am 18. Mai 1799 zum Priester geweiht wurde; an-schließend übertrug man ihm die freie Kaplanste1le in seinem Heimatort Baindlkirch.

Dort selbst hatte er vom 6. Juni 1800 bis 4. Mai 1801 die Vikarstelle inne, anschließend wurde er zum Pfarrer von Baindlkirch ernannt.

Als 1812 Martin Völk (sein späterer Schwager), geb. 1787, als Kaplan in die Pfarrei Lindls kam, gewann er Lindl für die Ideen der neuen Erweckungsbewegung.

Heilige Schrift
Heilige Schrift

Lindl trat mit ganzer Kraft für die Erweckungsbewegung ein, verfasste volksnahe Bücher und erklärte, dass die Heilige Schrift Richtschnur des Glau-bens und der Sitten, ohne eine Bestätigung durch die Tradition und die Kirche sei. Außerdem behauptete er, dass jeder, der in der Heiligen Schrift forsche, den Beistand des Heiligen Geistes erhalte, um sie auslegen zu können.

Martin Luther
Martin Luther

Bei den Gottesdiensten legte Lindl, wie die Protestanten, das Hauptgewicht auf die Predigt und er war sich wohl der Wirkung seiner Worte bewusst.

Auch Lindl, wie Martin Luther, verwarf die Verehrung und Anbetung der Mutter Gottes und der Heiligen sowie die Rechtfertigung durch gute Werke. Allerdings nahm er wegen seiner bald immer stärker hervortretenden chiliastisch-apokalyptischen1 Erwartungen eine gewisse Sonderstellung ein.

In dem von ihm verfassten Büchlein "Der Kern des Christentums" sagte er unter anderem:

"Zehn Jahre lang habe ich unter Blitzen und Donnern Gottes heilige Gebote von der Kanzel aus verkündet aber ohne Furcht, ohne Bekehrung, ohne Umwandlung der Zuhörer. Nach jeder Predigt, nach jeder Beichte und Kommunion blieben meine Pfarrkinder samt mir, die alten Menschen. Ja ich nahm vielmehr bei allem Laufen und Rennen ein Schlimmerwerden gewahr. Dies machte mich aufmerksam, und ich forschte nach dem Grunde. Im Jahre 1812 ging mir das erste Mal durch die Gnade des Herrn ein kleines Licht auf über das Evangelium, das ich vom Gesetze noch nicht zu unterscheiden wusste. Ich sah allmählich ein, daß ich die Pferde am Wagen der Göttlichen Wahrheit verkehrt angespannt hatte: darum ging es immer rückwärts statt vorwärts. Neu belebt durch diese Erkenntnis, fing ich an, das Evangelium, oder Christus den lebendig machenden Geist, den Toten-Erwecker und Seligmacher dem Volke zu verkündigen und gleich mit dem Beginn dieser Predigt wirkte Gottes Geist in den Herzen der Zuhörer."

Bibelstunde
Bibelstunde

Dies verursachte Aufsehen, Zulauf und Gerede der Menschen, gute und böse, je nach Art ihrer Beschaffenheit. Die Pfarrei Baindlkirch wurde zu einem besonderen Zentrum der Erweckung. Lindls Anhänger (Lindlianer) beurteilten ihn als lebhaft, willensstark, betriebsam und eifrig.

Geradezu enthusiastisch berichtete der Arzt Johann Nepomuk Ringseis 1816 nach einem Besuch in diesem Pfarrort:

"In Lindls Gemeinde Baindlkirchen war das Reich Gottes viel mehr ausgebreitet, täglich gibt es Versammlungen, das gemeinschaftliche Gebet ist von unaussprechlichem Nutzen, Menschen aus allen Ständen sahen sich zum Reich Gottes gezogen und besonders unter den Dienstboten war die Erregung groß: Die Zeiten der ersten apostolischen Gemeinden sind wiedergekehr; Unzüchtige, Säufer, Spieler, Betrüger sind fromm und innig voll Glauben und Liebe geworden, Mägde und Knechte haben ganz verklärte, veredelte Gesichter und zeigen eine Einsicht in die heiligen Schriften, vor die ich mich mit Beschämung und Rührung beugen muß."

aus: Hans Ernst von Kottwitz,Maser Peter: Studien zur Erweckungsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts in Schlesien und Berlin, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1990, S. 144;

Lindl predigte seinen Pfarrkindern,

"...... daß wir sämtlich Sünder seien, daß nicht einer gut sei, daß jeder in jedem Augenblick sündige, daß wir zum Heiland müssen; unser Laufen, Rennen, Beichten, Kommunizieren, Fasten, Beten, Wallfahrten, Almosengeben, wenn wir uns selbst den Himmel verdienen wollten, nichts helfe, dass Jesus Christus nur aus Gnade die Gläubigen selig mache und daß nur die Werke, die aus gläubigem Gemüte kommen, geheiligt seien Maria und die Heiligen können uns nichts helfen; zu ihm, dem Erlöser, müssen wir!"

aus: Petri Hans: Ignaz Lindl und die deutsche Bauernkolonie Sarata, in: Südostdeutsches Archiv 8, 1965, S. 82;

Kirchenbesuch
Kirchgang

Lindl erregte durch seine zu Herzen gehenden Predigten großes Aufsehen und wurde oft als Festprediger eingeladen.

Scharen von Zuhörern strömten zu seinen Gottesdiensten herbei, Katholiken, aber auch Protestanten aus dem benachbarten Württemberg.

So predigte er am Neujahresfest 1819 nachmittags in Aislingen 2 1/2 Stunden, um 12 Uhr war die Kirche schon überfüllt. Einige Tage später am Dreikönigsfest, sprach Lindl in Gundelfingen vor etwa 6.000 Zuhörern, darunter wieder sehr viele Lutheraner. Die Kirche fasste die Menge nicht.

unter freiem Himmel predigen

Er predigte unter freiem Himmel, auch von der Kirchhofsmauer herab. Bis zu 10.000 Menschen sollen oft zusammengekommen sein, um den Mann zu hören, der mit Engelszungen zu reden schien.

Goßner, der seinen Freund Lindl am 12. September 1819 in Gundremmingen besuchte, berichtete folgendermaßen:

"Schon am Vorabend war der Ort, alle Häuser, voller Pilger. Und die ganze Nacht hindurch kamen immer mehr Leute. Früh um 4 Uhr gings schon den Kirchberg die Staffeln hinan, um 5 Uhr war die Kirche schon voll, daß kein Mensch mehr hinein konnte. Um dreiviertel sechs Uhr, als ich hinauf ging, waren schon mehr Menschen außer der Kirche, als die Kirche in sich schloß, sie standen auf Leitern an den Kirchenfenstern und schauten hinein, und ich mußte ein Wache haben, um durchzukommen".

aus: Hermann Dalton: Johannes Gossner: Ein Lebensbild aus der Kirche des neunzehnten Jahrhunderts, Buchhandlung des Gossnerschen Mission, 1898;

 

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1 chiliastisch-apokalyptisch = im ursprünglichen Sinn Glauben an die Wiederkunft Jesu Christi und das Aufrichten seines tausend Jahre währenden Friedensreichs (Chiliasmus), einem irdischen Paradies, verbunden mit dem nahen Ende der gegenwärtigen Welt (Apokalypse).