Martin Boos
und die Allgäuer Erweckungsbewegung

(Teil 3 von 4)

Hände reichen
Hände reichen

der Ausbruch der eigentlichen Er-weckungsbewegung erfolgte wohl erst in der 2. Hälfte des Jahres 1796, nachdem Boos im allgäuischen Wiggensbach, wo er seit März 1795 als Kaplan amtierte, ein erneutes religiöses Erlebnis "hinter dem Choraltar" hatte; dort ist ihm "der Herr in seiner für uns voll und ewig gültigen Gerechtigkeit erschienen. Dort lernte ich sein Kreuz, sein Verdienst, seine Gnade kennen."

Boos Martin: Lebensgeschichte von Martin Boos: Auszug aus seiner Selbstbiographie, Pfund, St. Gallen, 1836, S.14;

Die Erweckungsbewegung breitete sich rasch vor allem in den Diözesen Augsburg und Konstanz aus, ging aber auch weiter nach München, nach Brandenburg (Berlin) und nach Oberösterreich.

Das Konzil von Trient: Die Kirche triumphiert über die protestantischen Häretiker; die in Weiß gekleidete Frau, vorne rechts, stellt die katholische Kirche dar; sie trägt eine päpstliche Mitra, in der rechten Hand ein Kreuz, während ihre linke Hand auf dem Reichsapfel ruht.
Pasquale Cati: das Konzil von Trient (1588),
Fresko in der Kirche Santa Maria in Trastevere in Rom

Obwohl Martin Boos in seinem heftigen Tempera-ment bei Predigten und in öffentlichen Versammlungen gern übertrieb und in irrigen Schwärmereien1 so-gar den Beschlüssen des Konzils von Trient2 zu-wider handelte, trennte er sich letztlich nie von den Glaubenssätzen der Katho-lischen Kirche. Ihm ging es vor allem um die Erweckung neuen Geistes-lebens, um eine Glaubens-erneuerung, um ein "Kirchlein in der Kirche".

In seinen Predigten "Christus für uns, Christus in uns" und in seiner Seelsorge kam es unter der Bevölkerung zu zahlreichen religiösen Bekehrungen.

So während des Neujahrsgottedienstes im Jahr 1797, bei dem sich aber ekstatische Vorgänge einstellten, die zu einer Krisis und zu kirchenamtlichen Maßnahmen führten.

"Diese Predigt, die er mit besonderer Salbung und Geisteskraft ausführte, hatte die Kraft und Wirkung des Feuers …... Es war, als hätte er Feuer ausgegossen. Es zündete gewaltig und loderte in hellen Flammen auf, nur bei dem Einen auf diese, bei Andern auf eine andere Weise.
Die Menge spaltete sich, wie allemal; die eine Hälfte der Zuhörer wollte ihn vor Liebe, Dank und Freude, die andere vor Zorn, Ärger und Haß verzehren ...... 40 Personen wurden so erfüllt von der Salbung des Geistes und vom Feuer der Liebe Christi, daß ihr Gefäß es nicht fassen und ertragen konnte, sondern sie in Ohnmacht fielen und hinausgetragen werden mußten. Es entstand ein großer Lärm. Einige schrien: Hosianna! andere: Kreuzige ihn! Weg mit ihm! Fort mit ihm! Indem Einige Gott lobten und dankten, daß Er sein Volk heimgesucht und solche Gnade den Menschen gegeben habe, fluchten Andere und entbrannten in Haß, Wuth und Zorn gegen die Predigt und den Prediger.
Diese, die erzürnte Partei, konnten sich nicht mehr halten; sie liefen zum Pfarrer bestürmten ihn, und forderten mit Gewalt und Ungestüm, daß er auf der Stelle den Caplan fortjagen sollte. Die Friedlichgesinnten liefen dann auch zum Pfarrer, baten und beschworen ihn, daß er den gesegneten Mann behalten und durchaus nicht fortlassen sollte.
Der Kampf und Streit dauerte den ganzen Tag und die ganze Nacht. Bald siegte diese, bald die andere Partei über den schwachen Pfarrer.
Boos blieb in Demuth und Geduld wie ein Lamm, und erwartete gelassen, was da kommen würde. Als der Wiggensbacher (Pfarrer Abraham Brackenhofer), der bislang ein fast freundschaftliches Verhältnis zu seinem Kaplan gehabt hatte, von ihm abrückte, sah Boos sich genötigt bei Pfarrer Feneberg in Seeg Zuflucht zu suchen."

aus: Johannes Gossner: Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt, Karl Tauchnis, Leipzig, 1826, S.51;

 

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1 Schwärmer = abfällige Bezeichnung für radikale Gruppen (Spiritualisten) in der Reformationszeit. Luther bezeichnete alle, die nicht mit seinem Verständnis der Bibel und seiner Lehre übereinstimmten, als "Schwärmer" oder "Schwarmgeister".
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in der evangelischen Kirchengeschichtsschreibung Anhänger reformatorischer Bewegungen als "Schwärmer" bezeichnet, also diejenigen die sich als unmittelbar vom Heiligen Geist geführt verstanden, den Anspruch erhoben, die reformatorischen Glaubenserkenntnis radikal zu verwirklichen und diesen "göttlichen Auftrag" als Offenbarungsquelle neben bzw. über die Bibel stellten und den von ihnen abgelehnten Strukturen und Formen der Kirche und des Gottesdienstes eigene, "dem Heiligen Geist gemäße" Formen entgegensetzen.

2 Das Konzil von Trient verurteilte 1547 die Thesen Luthers. Zur Erlösung seien sowohl der Glaube als auch "gute Werke" nötig.